Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Sie sind Brüder im Geiste, zumindest im Geist des Regisseurs Patrick Wengenroth: der Literat Rainald Goetz und der Bild-Kolumnist Franz Josef Wagner. Denn beide verbindet ein ebenso hysterisches wie übergriffiges Interesse an Öffentlichkeit. Monomanisch streifen beide durch Medienlandschaften, die so immer auch Landschaften der deutschen Seele sind. Arbeiten sich am Boulevardmüll ab, den sie als Rauschen des Systems, in dem sie leben, wahrnehmen – der Philosoph Hegel hätte es vielleicht noch unter dem Begriff „Weltgeist“ subsumiert. Da kann man also mit einiger Neugier in Wengenroths neuen Theaterabend im HAU 2 gehen, der Goetz’ 20 Jahre altes Hegelstück „Katarakt“ und Wagners 2010 erschienenes biografisches Buch „Brief an Deutschland“ zusammendenkt: zwei apokalyptische Reiter für Deutschland. Dem vom System zur Grimasse entstellten Menschenwurm ist stets auch Herbert Fritsch dicht auf den Fersen, dem er in seinem entfesselten Spiel doch immer noch so etwas wie Errettung verspricht. Befreiung vom Sinn, der ja letztlich immer nur ein Entfremdungszusammenhang sein kann. Einen Geistesverwandten hat Fritsch nun im 1998 verstorbenen Schweizer Künstler und konkreten Poeten Dieter Roth entdeckt, dessen Zweiwortdrama „Murmel Murmel“ er nun an der Volksbühne inszeniert. Samstag hat in der Schaubühne Volker Löschs Übermalung von „Draußen vor der Tür“ Premiere, Wolfgang Borcherts Nachkriegsklassiker über einen traumatisierten Kriegsheimkehrer, den Lösch mit Texten aus dem 2011 erschienenen Buch „Soldaten – Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben“ von Sönke Neitzel und Harald Welzer konfrontiert. Mit Extrakten aus einem enormen Konvolut von Protokollen also, die in britischen und amerikanischen Lagern für deutsche Kriegsgefangene entstanden sind.

■ „Katarakt/Brief an Deutschland“: HAU 2, Fr.–Mo.

■ „Murmel Murmel“: Volksbühne, ab Mi.

■ „Draußen vor der Tür“ Schaubühne, ab Sa.