mit totem huhn im mund singt man nicht von RALF SOTSCHECK
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Eine Kampagne, die Menschen überzeugen will, ihren Müll in die dafür vorgesehenen Behälter zu werfen, sollte eigentlich wenig Gegner haben. In der Vergangenheit haben berühmte Saubermänner und -frauen wie Abba, die Bee Gees und Lulu die Organisation „Keep Britain Tidy“ unterstützt, die seit fast 50 Jahren die Briten zur Ordnung erziehen möchte – mit immer weniger Erfolg.

Seit 2002 hat sich der Straßenmüll um die Hälfte vermehrt, 30 Prozent der britischen Straßen sind hochgradig verschmutzt. Hauptverursacher sind die Fastfoodläden. Von einer Kundschaft, die sich solchen Müll in den Körper schüttet, kann man nicht verlangen, dass sie die Straßen rein hält. „Keep Britain Tidy“ will der McDonald’s-Generation, also den 18- bis 24-Jährigen, dennoch erklären, was es mit den Blecheimern am Straßenrand auf sich hat.

Auf den neuen Plakaten der Organisation ist eine dürftig bekleidete Frau zu sehen, die sich auf dem Sofa räkelt. „Wenn du schon mal da unten bist …“, sagt sie und meint ihren Schoß. Der Satz wird in viel kleinerer Schrift fortgesetzt: „… kannst du das bitte in den Mülleimer werfen?“ Jetzt erst erkennt man, der vorher woanders hingeschaut hat, dass die Frau eine zerdrückte Bierdose in der Hand hält. Frauenorganisationen laufen Sturm gegen das Plakat.

Peter Gibson von „Keep Britain Tidy“ sagt dagegen: „Die 18- bis 24-Jährigen lassen den meisten Müll fallen, und wir haben die Wahl: Entweder wir sprechen mit dieser Altersgruppe in einer Sprache, die sie versteht, oder wir riskieren, dass unsere Städte rattenverseuchte Kriegsgebiete werden.“ Droht ein Angriff der Killerfritten?

Kentucky Fried Chicken ist eine dieser Schnellfutterketten, die den jungen Leuten die Munition für den Müllkrieg liefern. Allerdings haben die Gummihühnchenbrater eigene Probleme mit ihrer Fernsehwerbung. Nach der Erstausstrahlung gab es mehr als tausend wütende Anrufe. Bisher hat noch kein Werbespot so viele Proteste ausgelöst. In dem Filmchen sind Angestellte einer Notrufzentrale zu sehen, die ins Telefon singen, während sie fettige Hühnerteile in sich hineinstopfen. Die Anrufer beschwerten sich darüber, dass Kinder dadurch sämtliche Benimmregeln vergessen und zur Nachahmung animiert werden könnten. Wenn man also einen Anruf erhält, bei dem jemand unverständliches Zeug in den Telefonhörer singt, ist es ein englisches Kind mit einem elastischen Hühnerteil im Mund.

Dabei kann man den Herstellern des garstigen Geflügels gar keinen großen Vorwurf machen: Für Ekelfraß gibt es nun mal keine ästhetische Werbung. „Pot Noodle“, eine Fünf-Minuten-Terrine, wirbt mit einem Mann, dem ein gewaltiges Messinghorn aus seiner Hose herausragt. In dem Reklamespot für Mince Pies, eine Art warmes Weihnachtsgebäck, bringt eine Frau bei einem Krippenspiel ein Kind zur Welt. Es gab 806 Beschwerden, der Spot wurde verboten. Dasselbe Schicksal erlitt Wrigley’s, bei deren Kaugummiwerbung ein Mann mit Mundgeruch einen Hund aus dem Rachen würgt.

„Keep Britain Tidy“ sollte die Taktik ändern und die Fastfoodwerbung übernehmen. Die ist so abschreckend, dass sich das Müllproblem von selbst löst.