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: Aufbruch der Pilger

Warum über elf Millionen Fans die Stadien der Bundesligaklubs stürmten und damit für einen Rekord sorgten

Können 11.494.764 Zuschauer irren? Taugt diese Rekordzahl als schlagender Beweis für die zunehmende Attraktivität der Fußball-Bundesliga? Wurde den Fans auch Rekordverdächtiges am Ball präsentiert? Besteht eine Korrelation zwischen Masse und Klasse? Nun ja. Schaut man sich den Saisonverlauf an, dann muss man sich wundern, warum der Pilgerstrom in die Stadien nicht abreißt, sondern anschwillt.

Hat es etwa damit zu tun, dass der Deutsche von jeher anfällig ist für massenpsychologische Suggestionen? Ist es das nette Gemeinschaftserlebnis, das Hertha-Fans in dem Schlachtruf „Wir sind die geilen Jungs aus der Reichshauptstadt“ suchen? Spannung kann‘s ja wohl kaum gewesen sein, die der gemeine Fan in den Funktionsarenen gesucht hat, zumindest nicht im Finale, in dem nur noch ein paar Unverzagte fröhlich dilettierten und sich darin erprobten, die Champions League zu vergeigen, dies aber gründlich. Die Spannung war lange schon raus. Die Absteiger waren früh abgestiegen. Der FC Bayern feierte früh seinen Titel, lag am Ende mit 14 (!) Punkten vorn.

Die Liga hat ihren Krösus, das einzige Team, das auch international mithalten kann. Dann kommt lange nichts, keine Mannschaft weit und breit, die dem Primus gefährlich werden könnte. In Fußball-Europa, von England bis Portugal, freut man sich nun über deutsche Lose. Kaufen die Fans also Tickets wie irre, weil sie ihre Lieblinge für sich haben und nur Teams sehen wollen, die sie aus dem Effeff kennen? Das Motto gilt: Bleibe im Land und verwehre dich redlich. Wenn die Liga doch verreist, dann hat sie viele Punkte im Gepäck, Mitbringsel für die Konkurrenz.

Der SC Freiburg ist, hierzulande, ein Meister im Geschenkeverteilen gewesen. Einen soliden Rückstand von 59 Punkten zum FC Bayern weist er auf und ist damit der schlechteste Absteiger seit Einführung der Dreipunkteregel. So viel Gefälle war selten. Mag der gemeine Fan demnach klare Verhältnisse?

Nicht zu vergessen ist die finanzielle Baisse des BVB. Borussia Dortmund wurde natürlich nicht abgestraft, nein, die Lizenz wurde gnädigst erteilt, und der Klub hob an zur besten Rückrunde der Vereinsgeschichte. So kann’s gehen. Dem BVB rennen die Anhänger ja ohnehin die Bude ein. Da kann das Stadion einsturzgefährdet sein, der Borusse eilt herbei.

Halten wir also fest, dass Fußball als ein Produkt sui generis reißenden Absatz findet. Der Kick ist, weil er ist. Der Fan kommt, da kann kommen, was will. Da ändern auch ein gewisser Robert Hoyzer und seine Konsorten nichts dran. Man hatte verpfiffen, doch alsbald hat die Allianz der Fußballbegutachter nur noch darauf gepfiffen. Kann sich der Deutsche Fußball-Bund irren? Kann es der deutsche Fan?

MARKUS VÖLKER