STEFAN KUZMANY über GONZO
: Dialektsicher auf niedrigstem Niveau

Wie ich fast einen Bestseller geschrieben hätte. Und wie dann leider doch nichts daraus geworden ist

Letzte Woche wurden wie jedes Jahr die Gewinner des Theodor-Wolff-Preises verkündet, des renommiertesten Zeitungsjournalistenpreises, und wie jedes Jahr habe ich auch diesmal keinen bekommen.

Einer der Gewinner 2005 ist mein Freund Nicol. Er hat ein Buch geschrieben darüber, wie es ist, in die SPD einzutreten, es heißt „Genosse Nachwuchs“ (das ich an dieser Stelle schamlos anpreisen möchte: Es ist sehr gut! Lesen Sie es!). Er beschreibt darin seinen Eintritt in die SPD, die Trostlosigkeit dieser niedergehenden Partei, aber auch die Herzlichkeit und das Engagement der Genossen. Für einen Vorabdruck aus dem Buch in der Zeit gab es dann den Preis.

Als ich davon gehört hatte, ging ich gleich am nächsten Tag zum Bierfest des CSU-Ortsverbandes von E. bei München. Hey, wenn es Preise für ein SPD-Buch gibt, warum sollte ich nicht auch einen Preis bekommen können für ein Buch über eine Partei, die sich seit Jahrzehnten erfolgreich an der Regierung hält? „Mein langer Weg nach rechts“ – mit einem Vorwort von Peter Gauweiler. Überzeugungen sollte man zwar nicht wie Socken wechseln, aber alle paar Jahre ein kleiner Umschwung schadet doch nicht.

Es war nicht leicht. Auf dem Festplatz von E. bei München spielte die Blaskapelle gerade den Defiliermarsch, als ich eintraf. Die Bierbänke waren gut besetzt, strahlende Sonne, und das Helle kam vom Augustiner. Ich eine Maß Bier und Platz gesucht. Das Fest war, obschon erst vier Uhr am Nachmittag, schon weit vorangeschritten. Eine Bank am äußeren Rand des Festplatzes bot mir noch Platz. Mit mir am Tisch: die versammelten Mitglieder des Gemeinderats von W. in der Oberpfalz, zu Berühmtheit gekommen durch eine dann doch nicht gebaute Atomanlage, zu Besuch in E., allesamt angetrunken, der Bürgermeister bereits vornüber gekippt mit dem Gesicht auf der Bank schlafend.

„Wo kommst jetz du her?“, fragte mich mein Banknachbar, noch der Sprache mächtig, und auf meine wahrheitsgemäße Antwort hin beschied er mich: „Du redst aber gar net wie einer aus E.“ Dann starb das Gespräch, so kurz es gewesen war, auch schon wieder ab. Es ist, so wurde mir klar, hier mit Diskussionen um Steuerreform und Lohnnebenkosten kein Erfolg zu erzielen. Wenn ich dabei sein wollte, also dazugehören, musste ich grob werden, landestypisch derb, in Diktion und Inhalt. Ich noch eine Maß Bier.

„Oiso, jetz bassts amoi auf!“, kündigte ich, von Schluck zu Schluck wieder dialektsicherer werdend, meine erste Politwitzwelle an, und tatsächlich, sogar der eben noch schlafende Bürgermeister von W. erhob sein müdes Haupt. „Wenn die Grünen nimmer da san, dann blüht uns ja eine strahlende Zukunft!“

Zugegeben, ein müder Witz, alt dazu, aber bitte, es ging nicht anders. Allerdings: keine Reaktion. Nicht aufgeben jetzt. Geschickt verband ich im Geiste ein altes Scherzwort des verstorbenen Stoiber-Vorgängers Max Streibl, die Frauenquote der Bundesregierung und die aktuelle Seuchenproblematik auf niedrigstem Niveau. Und noch ein Schluck und abfeuern: „Die ganzen Kramfhennen gehörn doch abgeschlachtet, des is doch eine Hühnerpest!“ Böse Blicke vom Tisch der Frauen-Union nebenan, betretenes Schweigen an meinem. Ich noch eine Maß Bier.

Als ich vom Ausschank zurückkam, war die Bierbank verlassen, der Festplatz geleert. Das Technische Hilfswerk klappte und stapelte Bänke zusammen. Da fiel mein Blick auf einen Bierfilz, der neben mir auf dem Boden lag. Auf seiner Rückseite ein Mitgliedsantrag für die CSU, eine Innovation meines künftigen Generalsekretärs Markus Söder. Jetzt ist eh alles wurscht, ich fülle den aus, und im Ortsverein müssen sie mich dann ja willkommen heißen. Ein Gewitter zog auf. Schweren Schrittes bewegte ich mich auf einen der letzten anwesenden CSU-Vertreter zu: „Hier! Antrag! Ich werd Mitglied!“ Der Mann, Inhaber eines Spielwarenladens in E. und Vorsitzender des CSU-Ortsverbandes, blickte mir in die Augen und sprach: „Schleich di.“

Der Theodor-Wolff-Preis wird mir wohl bis auf Weiteres versagt bleiben.

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kolumne@taz.de MORGEN: Jenni Zylka über PEST & CHOLERA