Zum Seelenstrip beim Arbeitsvermittler

Die Bundesagentur testet ein neues Beratungskonzept. Dabei interessiert sie sich für Gesundheitsdaten, das Verhältnis ihrer Kunden zum Nachbarn und zu den Familienangehörigen. Den Datenschutz nimmt die Behörde anscheinend weniger wichtig

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

Sind Sie im Verein? Haben Sie Freunde? Wie kommen Sie mit Ihren Nachbarn zurecht? Diese recht persönlichen Fragen könnten Langzeitarbeitslose demnächst beantworten müssen, wenn sie bei ihrem Fallmanager vorsprechen. Dabei interessiert ihre „Beziehungsstärke“ ebenso wie die „Familienkonstellation“. Am Ende des Vermittlungsgesprächs könnte eine grafische Darstellung – ein „Genogramm“ – stehen, das diese „Ressourcendaten“ veranschaulicht. Genauso akribisch werden „Persönlichkeitsdaten“ wie Frustrationstoleranz oder „Gesundheitsdaten“ wie Arztbesuche erfasst.

Diese Vorschläge für ein Vermittlungsgespräch finden sich in einem 47-seitigen Fachkonzept „Beschäftigungsorientiertes Fallmanagement“, das die Bundesagentur für Arbeit an ihre Untergliederungen verschickt hat. Hinzu kommen noch acht Anlagen. Denn die Bundesagentur hat ein Problem ausgemacht: Viele ihrer neuen Fallmanager waren noch nie in der Vermittlung tätig – sie gilt es nun zu schulen. Bei dem Fachkonzept handelt es sich nicht um ein Geheimpapier. Auch die „fachkundige und interessierte Öffentlichkeit“ soll einen „Eindruck“ gewinnen, wie das Fallmanagement für Langzeitarbeitslose aussehen könnte.

Dieser breite Ansatz spiegelt sich bei den Autoren: Beamte der Bundesagentur sind ebenso vertreten wie Sozialdezernenten von Kommunen und Dozenten aus Fachhochschulen. Die Caritas und der Paritätische Wohlfahrtsverband berieten die Verfasser. Nur eine Expertengruppe findet sich nicht im Autorenverzeichnis: die Datenschützer.

Dabei stellen sich Fragen. „Ist der Arbeitslose zu den Angaben verpflichtet?“, würde der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar gern wissen. „Was geschieht mit den Daten? Werden sie an Dritte weitergeleitet?“

Schon bei ihrer letzten Fragebogenaktion fiel die Bundesagentur auf, weil sie den Datenschutz missachtet hatte: Um das Arbeitslosengeld II zu bestimmen, wollte sie auch Erkenntnisse über Personen sammeln, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörten. „Und leider wurde noch immer kein Zugriffskonzept für die Millionen Daten der Langzeitarbeitslosen und ihrer Angehörigen umgesetzt“, so Schaar zur taz. Eine Sprecherin der Bundesagentur versuchte die Aufregung klein zu halten. Das neue Konzept betreffe nur Langzeitarbeitslose mit Problemen wie einer Drogensucht. Diese Interpretation ist dem Papier nicht so deutlich zu entnehmen.

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