Kommunen sollen Mautflucht stoppen

Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe fordert Länder und Gemeinden auf, dem Beispiel aus Rheinland-Pfalz zu folgen. Dort wird bald die B9 für schwere Lkws gesperrt. Doch solche Verbote sind rechtlich angreifbar, meint der Verkehrsclub Deutschland

VON STEPHAN KOSCH

Die Mautflucht der Lkws über die Bundesstraßen dürfte zukünftig schwerer werden – zumindest auf der B9 in Rheinland-Pfalz. Dort wird ab Ende Mai zwischen Mainz und Worms die Durchfahrt für Laster ab 7,5 Tonnen gesperrt werden. Und dem Beispiel sollen weitere folgen. Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) rief am Wochenende andere Länder und Kommunen über die Bild am Sonntag dazu auf, „zügig und intensiv die Spielräume der Straßenverkehrsordnung zu nutzen“.

Die sieht nämlich vor, dass ein Fahrverbot verhängt werden kann, wenn durch starken Verkehr Sicherheit und Ordnung gefährdet sind. Im Winzerstädtchen Nierstein dürfte das der Fall sein, denn der Lastwagenverkehr hat hier im Vergleich zur Zeit vor der Mauteinführung um 60 Prozent zugenommen. Auch in anderen Regionen berichten Anwohner von stark gestiegenem Lkw-Verkehr mit drastischen Folgen, sagte Daniel Kluge, Sprecher des Verkehrsclub Deutschland (VCD), gestern der taz.

Der alternative Verband untersucht gegenwärtig mit einer bundesweiten Fragebogenaktion die Auswirkungen der Mautflucht auf die Anwohner. Rund 800 Haushalte hätten sich bereits beteiligt. Generell werde über massiv gestiegene Lärmbelastungen und eine größere Gefährdung von Fußgängern und Radfahrern in den Städten geklagt, so Kluge.

Neben der B9 sind laut VCD auch die Bundesstraßen rund um Hamburg und Erfurt, die B31 am Bodensee, die B471 bei München und der Großraum Stuttgart besonders von der neuen Brummiflut betroffen.

Die Aufforderung Stolpes, das Problem auf kommunaler oder Länderebene zu lösen, hält Kluge aber für problematisch. Denn per Gesetz gelten Bundesfernstraßen nebst darauf fließendem Verkehr als „höherrangig“. „Das könnte dazu führen, dass ein von der Kommune ausgesprochenes Verbot vor Gericht anfechtbar ist“, sagt Kluge. Deshalb müsse die Bundesregierung das Mautgesetz nachbessern – und seinen Geltungsbereich auf alle Straßen ausdehnen.

Für die Logistikbranche wäre eine Maut auf allen Wegen wohl nicht hinnehmbar. Bereits jetzt werde das Problem mit dem Ausweichverkehr überzogen dargestellt, zitiert Bild am Sonntag den Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, Karlheinz Schmidt. Die „gefühlte Belastung ist (…) größer als die wirkliche“. Zudem könne die Polizei solche Fahrverbote nicht flächendeckend kontrollieren, weshalb sie wohl kaum eingehalten würden. Den Aufruf Stolpes wertete er als „Symbolpolitik, um die Bürger zu beruhigen“.

Doch da könnte sich Schmidt irren. Denn gestern bekräftigte eine Sprecherin des Verkehrsministeriums frühere Aussagen des Ministeriums, wonach Stolpe gegebenenfalls selbst gegen die Mautumfahrer vorgehen wolle: Sollten die schon heute möglichen Sofortmaßnahmen wie Nachtfahrverbot, Geschwindigkeitsbegrenzung bis hin zu Sperrungen nicht ausreichen, würden bestimmte Ausweichstrecken in die Maut einbezogen. Gegenwärtig liefen dazu aber noch Untersuchungen.

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