Zündelnde Trittbrettfahrer

SPEKULATIONEN ÜBER TÄTER Hinter den Anschlägen vermutet die Opposition die linke Szene. Polizei sieht auch gekränkte Liebhaber und Nachbarn am Werk

„Es gibt kein Patentrezept gegen die Autobrandstiftungen“, räumt Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ein. Hinterhältig seien diese Taten – „weil sie so leicht getan und so schwer zu unterbinden sind“. Zwar stockte die Polizei ihr Personal gegen die Brandstifter zuletzt auf (taz berichtete), dennoch gelingt es den Tätern, meist unerkannt zu entkommen. Bis die Autos nach dem Anzünden brennen, sind sie oft über alle Berge.

Das erschwert die Antwort auf die Frage, wer hinter den Anschlägen steckt. Von „linksextremistischen Gewaltexzessen, die auf unsere Demokratie zielen“, spricht CDU-Landeschef Frank Henkel. „Linke Extremisten“, vermutet auch Björn Jotzo, innenpolitischer Sprecher der FDP. Für Körting sind es dagegen unorganisierte und spontan handelnde Einzeltäter, die Autos anzünden – ohne zwingend in der linken Szene verankert zu sein.

Die Polizei berichtet von 96 der 173 Brandanschläge in diesem Jahr, die vermutlich politisch motiviert seien. In 13 Fällen seien dabei Bekennerschreiben aufgetaucht. Von Protest gegen Militarismus ist darin die Rede. Oder von Antirassismus, Gentrification, Repression, Anti-Atomkraft und Widerstand gegen politische Repression. Mitte Juni brannten zwei Autos vor dem Haus des CDU-Innenexperten Robbin Juhnke. Ein „Rechtsaußen-Hardliner und Hassprediger“ sei dieser; er befinde sich in „einem wahnhaften Kampf gegen Linke“, hieß es damals.

Bekennerschreiben tauchten auch bei Anschlägen auf DHL-Fahrzeuge auf. Die Post-Tochter gilt in der linken Szene als Unterstützer der Bundeswehr und damit als „Kriegshelfer“. Bei einem Anschlag auf zehn „Bärenmenü“-Lieferwagen Mitte Juni in Lichtenberg hieß es, dass die Firma zum „Globalplayer Sodexo“ gehöre und „international bei der Versorgung und Bereitstellung von Knästen und Abschiebelagern und mit Überwachungsdienstleistungen“ profitiere.

Bei 77 Brandanschlägen geht die Polizei dagegen von unpolitischen Motivationen aus. Laut Polizeisprecher Carsten Müller verbergen sich dahinter Trittbrettfahrer und „Straftäter im zivilrechtlichen Bereich“. Dazu zählt Müller Nachbarschafts- oder Beziehungsstreitigkeiten, bei denen auch schon mal das Auto des Gegenübers in Flammen aufgeht.

Das Drängen der CDU auf eine Sonderkommission auch mit außerpolizeilichen Experten lehnt Müllers Kollege Frank Millert ab. „Unsinnig“ sei dies, da die zuständige Fachdienststelle personell so ausgestattet sei, dass sie alle Informationen „umfassend und zügig“ verarbeiten könne. Nach jedem Brandanschlag ermittelt inzwischen der Staatsschutz, die LKA-Abteilung für politisch motivierte Gewalt. Auch Senator Körting hält den Vorschlag für eine „rein plakative Forderung“. Die Polizei sei bestens gegen Brandstifter aufgestellt.

Unterstützung könnte die Polizei dagegen aus der Bevölkerung gebrauchen. Bis zu 10.000 Euro Belohnung versprach Polizeipräsident Dieter Glietsch im April für Hinweise auf Zündler. Ausgezahlt wurde davon: kein einziger Euro. KONRAD LITSCHKO