KOMMENTAR: FRIEDERIKE GRÄFF ÜBER RESIDENZPFLICHT
: Ärmliche Symbolpolitik

Noch höher schätzt der Senat jedoch die mutmaßlichen Ängste des Wählervolks

Ginge es nicht um eine Frage von Belang, wäre es außerordentlich komisch: erst hebt der, vorsichtig formuliert, panzergleiche niedersächsische Innenminister Schünemann (CDU) die Residenzpflicht für Asylbewerber auf. Was die lebenden Toten von der Hamburger FDP mit dem überaus einsichtigen Vorschlag auf den Plan bringt, gleiches vor Ort zu verwirklichen. Doch: Innensenator Neumann (SPD) ist dafür nicht zu gewinnen.

Man fürchte eine „Sog-Wirkung“, so heißt es zwecks Begründung aus der Partei. Das ist ein uraltes Argument, das hier gegen jede Erfahrung aus der Mottenkiste schlechter Begründungen hervorgezogen wird. Berlin und Brandenburg haben vor über einem Jahr die Residenzpflicht aufgehoben – und keinerlei Massenansturm auf die Hauptstadt feststellen können. Schön, dass Hamburg seine Anziehungskraft so hoch schätzt. Noch höher scheint der Senat jedoch die mutmaßlichen Ängste des Wählervolks einzuschätzen, dass hier etwa fahrlässige Zugeständnisse an Asylbewerber gemacht würden. Und damit etwa Stimmen an die CDU verloren gehen könnten.

Da spielt es dann keine Rolle, dass die Aufgabe einer zum Selbstzweck gewordenen Auflage praktische Vorteile hätte: nicht nur für den Alltag der Asylbewerber – auch für die Bürokratie, die nicht länger mühselige Kontrollen und Strafverfahren am Hals hätte. Das ist Symbolpolitik der ärmlichen Art.