Schlüssel ungenutzt

Landesmusikrat besorgt: Immer weniger Kinder erlernen Instrumente. Liederkalender sollen zum Singen animieren

Hamburgs Landesmusikrat hat gestern eine neue Offensive für Schulmusik gestartet. So werden in diesen Tagen 1.000 Kalender an Grundschulen verteilt; darin sind zwölf Lieder zusammengestellt, die im Herbst gemeinsam im CCH gesungen werden sollen. Ferner werden 7.000 Exemplare eines Hefts verteilt, in dem der Musiklehrer Rainer Knappek darlegt, warum Musik Schlüssel zum „erfolgreichen Lernen“ ist.

„Wir haben in Politik und Behörden immer mehr mit Leuten zu tun, die selber keinen Musikunterricht hatten“ berichtet Musikrats-Präsident Wolfhagen Sobirey. Deshalb soll diese Argumentationshilfe die „nützlichen Nebenwirkungen“ von Musik zeigen. So ist bei Kindern, die schon früh musizieren, das räumliche Vorstellungsvermögen und die Vernetzung der Hirnhälften stärker ausgeprägt. Schüler, die zusätzlichen Musikunterricht haben, lernen besser und konzentrierter. Schweizer Forscher haben gar herausgefunden, dass es von Vorteil ist, eine Stunde Deutsch oder Mathe durchs Musizieren zu ersetzen.

Doch liegt die musikalische Aktivität an Schulen in Hamburg ziemlich brach. Der Bürgerschaftsbeschluss von 2002, wonach jedes Kind ein Instrument lernen soll, sei „vergessen“, bemängelt Sobirey. Und eine Umfrage an 30 Gymnasien habe ergeben, dass seit Einführung des Lehrerarbeitszeitmodells mehr als die Hälfte der Chöre und -orchester weggefallen sei.

Doch auch der private Musikunterricht geht stark zurück. So verzeichnet der Tonkünstlerverband, der private Musiklehrer vermittelt, seit 2004 einen Nachfrageeinbruch von 30 Prozent. Sobirey erklärt dies mit der Abiturverkürzung in Hamburg: Diese beschert Siebtklässlern an zwei bis drei Tagen Nachmittagsunterricht – und nimmt ihnen die Zeit fürs Klavier- oder Geigenspiel. Ohne „qualifizierte Begabtenförderung“, so Sobirey, habe Hamburg bald eine Philharmonie – aber niemanden, der darin spielt. Kaija Kutter