„Opfer einer modernen Hexenjagd“

Kein Wort über das ihm zur Last Gelegte: In seiner lang angekündigten Prozesserklärung stellt Thomas Wüppesahl sich als Märtyrer dar

Kein Wort zu Hackebeil und Genickschuss. Keine Silbe zu dem blutrünstigen Raubmord, den Thomas Wüppesahl laut Anklage der Staatsanwaltschaft geplant haben soll. Statt sich zu diesem Vorwurf zu äußern, hat Wüppesahl sich in seiner gestrigen, von ihm groß angekündigten Prozesserklärung als Märtyrer inszeniert: Er unterstellte der Staatsanwaltschaft eine „Hetzjagd gegen einen ihrer schärfsten Kritiker“ und behauptete, die Ankläger wollten seine „bürgerliche Existenz vernichten“ und ihn als „politisch missliebige Person ausschalten“. „Ich bin mir aber vollkommen sicher“, prophezeite der Angeklagte, dass das „erneut nicht klappt“.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem früheren Grünen-Bundestagsabgeordneten und Kriminalbeamten vor, er habe geplant, in Berlin-Friedrichshain einen Geldtransporter zu überfallen, den Boten zu erschießen und ihm mit einem Fleischerbeil den Arm abzuhacken. Seit Oktober 2004 sitzt Wüppesahl deswegen in Untersuchungshaft. Gleich zu Beginn des Prozesses Anfang März – und erneut in der Vorwoche – hatte er per Brief angekündigt, zu der Anklage Stellung zu nehmen. Tatsächlich äußerte er sich gestern insoweit, dass das Schriftstück zahlreiche „falsche Tatsachenbehauptungen“ enthielte.

Als Beispiel nannte dann der Angeklagte, dem bis zu 15 Jahren Haft drohen, dass er fälschlich als „Kriminalhauptkommissar“ bezeichnet werde, obwohl er nur einen niedrigeren Dienstrang bekleidet. Außerdem werde in der Anklage behauptet, die „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten“ befinde sich in Auflösung, was nicht stimmt. Und dann werde ihm schließlich noch unterstellt, er habe vor seinem privaten Grundstück in Geesthacht rechtswidrig Bäume gefällt, um ungehinderten Blick auf die Elbe zu haben. Dass seine Nachbarn solchen Vorwürfen Glauben schenken könnten, habe ihm „schlaflose Nächte bereitet“.

Wüppesahl scheute nicht davor zurück, große Parallelen zu seinem Prozess zu ziehen. Zum einen sei er „Opfer einer modernen Hexenjagd des 21. Jahrhunderts“, zum anderen werde vor dem Hamburgischen Oberlandesgericht gegen ihn ein Prozess „wie bei einem Mafia-Paten“ abgezogen. Die imposante äußere Form einer Schwurgerichtsverhandlung im Staatsschutzsaal solle über die „Substanzarmut“ der Anklage hinwegtäuschen, unterstellte der 49-Jährige.

Thomas Wüppesahl hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder vor Gericht verantworten müssen. Einmal war er wegen Sockendiebstahls angeklagt, ein anderes Mal wegen der Verbreitung interner Akten, im vorigen Jahr dann wegen eines Verkehrsdeliktes. Stets hatte er sich als „Mobbingopfer“ dargestellt. Gestern resümierte er, er übe „die Rolle des Berufsangeklagten aus“.

Ehe er in seiner ausführlichen Prozesserklärung gegen die Staatsanwaltschaft schoss, hatte Wüppesahl bereits den Vorsitzenden Richter der Schwurgerichtskammer diskreditiert: Gerhard Schaberg betreibe immer wieder unzumutbare „Sachverhaltsverdrehung“. In der Bundesrepublik Deutschland, so der Angeklagte, sei „vor falschem richterlichem Spruch niemand geschützt“.

Der Prozess wird fortgesetzt.

Elke Spanner