Nicht nur für Chefärzte

Die Reform-Pläne für die Bremer Kliniken stehen seit Wochen unter Beschuss. Nun schießt auch Gesundheitsökonom Karl Lauterbach

„Keine Leistungs, Qualitäts- und Wirtschaftsdaten berücksichtigt“

Bremen taz ■ Das „Strukturkonzept“ aus der Chefetage des kommunalen Bremer Klinikverbundes „GesundheitNord“, über das seit Wochen in Bremen unter Fachleuten und in den betroffenen Stadtteilen gestritten wird, ist an der Interessenlage von Chefärzten orientiert, aus Verwaltungssicht geschrieben und in wesentlichen Teilen nicht nachvollziehbar begründet. Das ist die fundamentale Kritik des renommierten Gesundheitsökonomen und Regierungsberaters Karl Lauterbach, den der Gesamtbetriebsrat der Kliniken mit einer Expertise beauftragt hat. In den kommenden beiden Tagen wird der Betriebsrat mit dem vorläufigen Papier von Lauterbach unter dem Arm in Dangast in Klausur gehen – mit Wolfgang Tissen, dem Chef der GesundheitNord-gGmbH.

Vor allem der Bremer Osten ist auf den Barrikaden – das dortige Krankenhaus soll nach dem im März vorgelegten „Strukturkonzept“ zugunsten des Klinikums Mitte heftig dezimiert werden. Am 7. Juni wollte der Aufsichtsrat der „GesundheitNord-gGmbH“ über das Strukturkonzept für die zukünftige Krankenhaus-Struktur entscheiden.

Auf 80 Seiten hat Lauterbach seine Kritik an dem im Februar vorgelegte Papier dargestellt – und auch ein Alternativ-Konzept entworfen. Für die im Strukturkonzept von Tissen vorgeschlagene Verteilung der „Medizinischen Kompetenz-Zentren“ (MKZ) gebe es „weder Daten noch nachvollziehbare Kriterien“, schreibt Lauterbach. Es würden „keine Leistungs, Qualitäts- und Wirtschaftsdaten berücksichtigt“. Er vermisse auch Überlegungen zu einer „umfassenden Versorgungsstrategie“ für Bremen und das Umland. Und das sei entscheidend: Wenn es nicht gelinge, eine große Anzahl niedersächsischer Patienten weiterhin an die bremischen Kliniken zu binden, dann müsse noch viel mehr Personal abgebaut werden als von Tissen geplant. Lauterbachs ungeschminkte Kritik: „Die personellen Konsequenzen werden im wesentlichen nur für die Position der Chefärzte dargestellt. Teilweise kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidungen sich an den gegenwärtigen Besetzungen von Chefarztpositionen orientieren.“

Anstatt alle Kompetenz-Zentren am Standort Mitte zu konzentrieren, schlägt Lauterbach eine „Vernetzung der vier Standorte“ vor. An jedem der Standorte (Nord, Links der Weser, Ost und Mitte) sollten für die „Grundversorgung“ die Bereiche Innere Medizin, Chirurgie und Altersmedizin angeboten werden – wohnortnah insbesondere auch wegen der Zunahme älterer Menschen.

Die „Medizinischen Kompetenzzentren“ sollten in sinnvollen Kombinationen auf die vier Standorte verteilt werden: „Nach medizinischen Kriterien macht es wenig Sinn“, schreibt Lauterbach zum Beispiel, „die Zentren Herz und Gefäß getrennt aufzustellen, wie es der Vorschlag der Geschäftsführung vorsieht“. Das Tissen-Strukturkonzept sei „weder medizinisch noch auf dem Hintergrund der strukturellen Vorgaben nachvollziehbar“.

Anfang Juni wird auch über den zukünftigen Kostenrahmen der bremischen Krankenhäuser entschieden. Wer Patienten länger in seinen Betten hält, soll in Zukunft nicht dafür mehr Geld von den Krankenkassen bekommen, sondern es soll nach Komplexität der „Fälle“ eine feste Summe geben.

Die „Währung“ der Berechnungen ist der „Basis-Fallwert“. Für Bremen ist ein Basisfallwert von 2.893 Euro vorgeschlagen worden. Niedersachsen hat 2.735 Euro. Das Klinikum Mitte liegt derzeit noch bei 3.244 Euro, hat also um 10 Prozent zu hohe Kosten. Nur das Klinikum Nord und die freigemeinnützigen Bremer Krankenhäuser bewegen sich in dem zukünftigen Finanzierungs-Rahmen.

kawe