Nach der Wahl ist vor der Wahl

Noch überrascht von der vorgezogenen Bundestagswahl, laufen sich die Landesparteien für den Wahlkampf warm. Wichtigste Aufgabe jetzt: die Suche nach Kandidaten

Die Spitzen der Landesparteien hatten gestern mit den Vorbereitungen für den Bundestagswahlkampf alle Hände voll zu tun. Die Parteigremien berieten über Wahltaktik, Wahlparteitage und Spitzenkandidaten. Durch die Bank begrüßten alle Parteien die voraussichtlich für Mitte September anberaumte Neuwahl. Am Termin für die Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2006 soll sich jedoch nichts ändern.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit begrüßte gestern das Vorziehen der Bundestagswahl – und eröffnete gleichzeitig den Lagerwahlkampf: „Die Wählerinnen und Wähler haben jetzt die Möglichkeit zur Entscheidung über die politische Richtung in Deutschland. Es wird darum gehen, wie die Zukunft unserer sozialen Marktwirtschaft aussieht.“

Gestern Abend wollte der geschäftsführende SPD-Landesvorstand über den Parteitag am 18. Juni beraten. Statt des Themas „soziale Stadt“ könnte dort nun der Bundestagswahlkampf ins Zentrum rücken.

Die Berliner Union will die Entwicklungen auf Bundesebene abwarten. Ein Wahltermin im September mache es laut CDU-Landesgeschäftsführer Matthias Wambach jedoch „sinnvoll“, noch im Juni einen Spitzenkandidaten zu benennen.

Auf Gregor Gysi ruhen wieder einmal die Hoffnungen der Sozialisten. Er sei „guter Hoffnung“, dass der frühere Parteivorsitzende Spitzenkandidat werde, sagte der PDS-Bundesvorsitzende Lothar Bisky. Die Spitzenvertreter aus Bund und Ländern treffen sich am kommendem Samstag zu einem „kleinen Parteitag“, um über die Kandidaten zu beraten. Spätestens dann soll die Entscheidung über Gysis Kandidatur bekannt gegeben werden.

Erst im August wollen die Grünen einen Wahlparteitag abhalten. „Vor den Sommerferien werden wir das wegen der zu beachtenden Fristen wohl nicht schaffen“, sagte Landesgeschäftsführerin Kirsten Böttner. Die Landesvorsitzende Almuth Tharan rechnet damit, dass Verbraucherschutzministerin Renate Künast in Berlin als „Zugpferd“ in den Wahlkampf gehen wird. „Die Wahlkampfthemen werden wir in enger Abstimmung mit der Bundespartei entwickeln“, sagte Tharan.

Auch die Liberalen zeigen sich demonstrativ erfreut über die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen. „Wir sind als FDP in Bund und Land personell und programmatisch gut aufgestellt.“ Ähnlich wie bei der SPD könnte schon am 18. oder 19. Juni ein Wahlparteitag stattfinden, sagte Landesgeschäftsführer Horst Krumpen. Spitzenkandidat wird dem Vernehmen nach FDP-Landeschef Markus Löning.

MATTHIAS LOHRE