Erst die Großfarmer, dann die Kleinhändler

Simbabwes Regierung startet Feldzug gegen den informellen Handel: 10.000 Verhaftungen in fünf Tagen

BERLIN taz ■ In Simbabwe geht die Regierung von Präsident Robert Mugabe erneut auf Konfrontationskurs gegen die eigene Gesellschaft. 9.653 Menschen sind nach amtlichen Angaben seit dem vergangenen Mittwoch in der Hauptstadt Harare verhaftet worden – Opfer einer „Operation Restore Order“, die im Namen des Kampfes gegen Preistreiberei den informellen Kleinhandel in der Stadt vernichten soll. Nach Polizeiangaben sind bereits 24 Flohmärkte zerstört und Waren im Wert von hunderttausenden Euro beschlagnahmt worden.

Hochgerüstete paramilitärische Sicherheitskräfte patrouillierten gestern in der Hauptstadt, um Massenproteste gegen die Zerstörung der Märkte zu unterbinden. Der Busverkehr zwischen den Wohnvierteln und dem Geschäftszentrum Harares wurde unterbrochen. Am Wochenende hatte es Zusammenstöße zwischen der Polizei und aufgebrachten Demonstranten gegeben, die als die schwersten in Simbabwe seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom März beschrieben wurden.

Seit dem Zusammenbruch der kommerziellen Exportwirtschaft Simbabwes ist die informelle Kleinwirtschaft die einzige Überlebensmöglichkeit für die Mehrheit der Bevölkerung des Landes. Ohne Schwarzmärkte und Straßenverkauf wären Grundnahrungsmittel und Güter des täglichen Bedarfs kaum noch zu finden. Allerdings sind die Schwarzmärkte sehr teuer. Zivilgesellschaftliche Gruppen klagen seit langem über skrupellose Großhändler auf den informellen Märkten und unterstellen ihnen wegen ihres Zugangs zu knappen Devisen Verbindungen zur regierenden Elite.

Die Regierung verlangt nun, dass Straßenhändler sich neue Lizenzen besorgen, und will die seit 2002 geltenden Preisbindungen nun auch auf dem Schwarzmarkt durchsetzen. Polizeichef Oliver Mandipaka nannte Simbabwes Kleinhändler am Wochenende „Wirtschaftssaboteure“, die man „austreiben“ müsse, um „Ordnung und Vernunft“ wiederherzustellen.

Simbabwes Opposition allerdings wirft der Regierung vor, den Kleinhandel zu vernichten, um chinesischen Billigimporten das Feld zu öffnen – Mugabe betont in den letzten Monaten immer wieder seine engen Beziehungen zu Peking, wirbt mit chinesischen Investoren und hat moderne Kampfflugzeuge aus China gekauft. „Das Land ist an die Chinesen verpachtet worden“, sagte Morgan Tsvangirai, Führer der größten Oppositionspartei MDC (Bewegung für Demokratischen Wandel). „Wie können wir mit Gewalt Simbabwer aus unseren Märkten entfernen, um Platz für Chinesen zu machen? Die Mehrheit der Simbabwer hängt vom informellen Handel ab, um sich zu ernähren.“

Simbabwes schwere Wirtschaftskrise hält seit dem Beginn der Enteignung kommerzieller Großfarmen im Jahr 2000 an. Von einst 16 Millionen Einwohnern sind ein Viertel ausgewandert, vom Rest sind 80 Prozent arbeitslos und knapp die Hälfte von Lebensmittelhilfe abhängig. Am vergangenen Donnerstag wertete die Zentralbank die Landeswährung erneut um 45 Prozent ab und warnte vor einer neuen Periode der Hyperinflation. DOMINIC JOHNSON