Frauen und Reformer abgeschmettert

Irans ultrakonservativer Wächterrat lässt von über 1.000 Kandidaten nur 6 Bewerber für die Präsidentenwahl im Juni zu – allesamt Konservative. Die größte Reformpartei spricht von „Staatsstreich“ und ruft zu einem Boykott der Wahlen auf

VON BAHMAN NIRUMAND

Der von ultrakonservativen Islamisten besetzte islamische Wächterrat, der über die Eignung von Kandidaten entscheidet, hat am Sonntag mehr als tausend registrierte Bewerber für die Präsidentschaftswahl am 17. Juni abgelehnt. Zugelassen wurden lediglich 6 Bewerber: der Teheraner Bürgermeister Mahmud Ahmadinejad Ali Laridschani, der frühere Leiter der staatlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten Mohsen Rezai, der ehemalige Kommandant der Revolutionswächter Mohammad Ghalibaf, der frühere Parlamentspräsident Mehdi Karrubi und Ex-Staatspräsident Haschemi Rafsandschani. Die ersten vier gehören dem Lager der Radikalislamisten beziehungsweise Konservativen an. Karrubi wird ebenfalls zu den Konservativen gezählt, hatte jedoch in den letzten Jahren gelegentlich die Reformer unterstützt. Rafsandschani versucht sich über die Gruppen zu stellen, gehört jedoch ebenfalls dem Lager der Konservativen an.

Zu den abgelehnten Bewerbern gehören sämtliche Kandidaten der Reformer sowie 93 Frauen – darunter die ehemalige Parlamentsabgeordnete und Frauenrechtlerin Aazam Taleghani. Auch Ex-Außenminister Ebrahim Yazdi, einziger Kandidat der „Freiheitsbewegung“, die als halb legale Opposition geduldet wird, wurde zurückgewiesen.

Der Wächterrat hatte bereits bei den letzten Parlamentswahlen mehr als 2.000 Kandidaten aussortiert und damit die absolute Mehrheit der Konservativen ermöglicht. Die jetzige Ablehnung der Bewerber bestätigt die Absicht der Islamisten, die Macht zu monopolisieren. Dies wollen die Reformer nicht hinnehmen. Mit besonderer Empörung wurde die Ablehnung des Kandidaten der größten Reformpartei, der „Beteiligungspartei“, Mustafa Moin, quittiert. Gestern rief Moin, ehemaliger Kultusminister und drei Legislaturperioden Abgeordneter im Parlament, zum Boykott der Abstimmung auf. „Die Wahlen werden weder demokratisch noch frei sein, und deshalb werden wir uns auch nicht daran beteiligen“, sagte er. Zuvor hatte ein führendes Mitglied der Partei, Mustafa Tadschzadeh, Moins Ablehnung als „Staatsstreich“ bezeichnet, „der nicht ohne Folgen bleiben wird“.

Ein Wahlboykott ist das letzte Druckmittel der Reformer. Gerade bei diesen Wahlen legen die Konservativen großen Wert auf eine hohe Beteiligung. Sie soll demonstrieren, dass das Volk hinter dem Regime steht und bereit ist, jeder Bedrohung von außen Widerstand zu leisten. Doch Umfragen von vergangener Woche zufolge wird die Beteiligung höchstens bei fünfzig Prozent liegen. Im Falle eines Wahlboykotts dürfte dieser Prozentsatz wesentlich niedriger ausfallen.

Die Wahlen im iranischen Gottesstaat sind ohnehin eine Farce. Seit der Gründung der Islamischen Republik vor 26 Jahren wurden noch nie Kandidaten, die nicht dem islamischen Lager angehören, zu den Wahlen zugelassen. Die jetzige totale Ausgrenzung der Reformer wird die weit verbreitete Unzufriedenheit im Volk noch steigern – für die Konservativen ein Risiko mit unabsehbaren Folgen.