Almuth Müller Der Wochenendkrimi: Die einen gehen, die anderen kommen zurück und werden ermordet
Die altbekannte Dorfromantik: eine beschauliche Kirche, ein Friedhof, Frauen laufen Marathon, Männer schießen auf Tontauben, ältere Frauen kochen deftige Gerichte, und dann ist sie auch schon tot, die junge Marathonläuferin. Leider nur sehr kurz war die Heimatflucht für Hanna Riedle (Mia Rainprechter). Vom erzkonservativen Albdorf ging es für sie in die schwäbische Hauptstadt Stuttgart, um dort eine Lehre als Tischlerin zu machen. Sie wollte alles hinter sich lassen. Die Wirtschaft ihrer Eltern Hannes (Moritz Führmann) und Luise Riedle (Julika Jenkins), aber auch ihre kleine Schwester Emma (Irene Böhm) und den immer noch schwer enttäuschten, nun allein im dorfmodern eingerichteten Einfamilienhaus lebenden Ex-Verlobten Robert Gmähle (Sebastian Fritz).
Um den Dorfbewohner*innen nachhaltig auf den Zahn und das Gewissen fühlen zu können, entschließen sich die in diesem Fall ermittelnden Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) dazu, dass einer von ihnen vor Ort bleibt. Dieser Hauptgewinn geht an Lannert, der sich dann auch gleich in die Wirtschaft der trauernden, aber mit Gewalt an ihrem normalen Leben festhaltenden Wirtsleute Riedle einquartieren lässt, während Bootz sich in Stuttgart auf die Suche nach Hinweisen macht.
Schnell stellt sich heraus, dass Hanna nicht im Guten gegangen ist: Ihre Mutter wollte sie festhalten und sie dazu bringen, später die Gaststätte zu übernehmen und sich gefälligst dann auch um die Eltern zu kümmern. Schließlich hätte sie damals auch niemand gefragt, ob sie das denn wolle – „Man kann ja nicht machen, was man will“, bescheidet die fromme Frau Kommissar Lannert. Mit ihr hatte Hanna nicht mehr geredet.
Und ein anderer Dorfbewohner orakelt gar, wenn die Hanna das Dorf nie verlassen hätte, dann wäre sie nun auch noch am Leben. In der Stadt, da sind ja schließlich diese Araber, und die sind natürlich alle gefährlich.
Nichtsdestotrotz gerät aber erst mal der leicht cholerische Ex-Verlobte Robert ins Visier der Ermittler, denn er hat Hanna nicht so recht gehen lassen wollen. Ebenfalls verdächtig macht sich der ehemalige Klassenkamerad Marek Gorsky (Timocin Ziegler), der schon immer verliebt in die junge Frau war und jetzt nach der Trennung seine große Chance gekommen sah. Nur leider verwechselte er Liebe mit Stalking und bedrängte Hanna.
Doch macht ihn das auch zu ihrem Mörder? Eine Frage, die die Leute im Dorf schnell und einfach beantworten. Er muss es sein, denn: Gorsky ist ja nicht von hier, sondern zugezogen. Und das nicht mal nur aus der DDR, sondern, noch schlimmer – aus Polen! Und so gerät die Selbstjustiz zum Mittel der Wahl, abgesegnet und gebilligt durch das Alte Testament: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Ach, schön ist es auf dem Dorf. Zumindest versteht man zunehmend, warum Hanna hier wegwollte.
Trotz der guten schauspielerischen Leistungen, besonders von Julika Jenkins und Moritz Führmann, welche sich als Ehepaar Riedle in ihrer Trauer gegenseitig ins Verderben stürzen, kann dieser Tatort nicht so recht fesseln. Zu oft erzählt ist die Geschichte von den Ausbrecher*innen aus dem engstirnigen Dorf, die dann auch in der Stadt nicht ihr Glück fanden. Ein paar Längen und Ungereimtheiten in der Handlung helfen da auch nicht wirklich weiter. In diesem Sinne, lasst sie doch einfach gehen.
Stuttgart- „Tatort“: „Lass sie gehen“, Sonntag, 20.15 Uhr im Ersten
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