Was die CDU draufhat

Viele Sachfragen sind bei der Union noch ungeklärt. Aber ihr Mantra hat sie schon festgelegt: Arbeit, Arbeit, Arbeit

BERLIN taz ■ Wenn die Union im Herbst die Macht erringt, dann wird diese Macht groß sein. Größer als je zuvor in der Bundesrepublik. Weil sie, jedenfalls nach heutigen Prognosewerten, dann eine satte Mehrheit im Bundestag hätte – und eine Übermacht im Bundesrat. Aber wohin wollen die Schwarzen mit so viel Macht steuern? Was haben sie inhaltlich drauf?

Die Boygroup rund um Angela Merkel, die neuen jungen Wichtigmänner wie die auf Chefposten in der Fraktion gehievten Ronald Pofalla, Norbert Röttgen, Eckart von Klaeden oder Peter Altmaier betonen stets selbstbewusst, das Unions-Programm für die Machtübernahme liege fertig in der Schublade. CSU-Chef Edmund Stoiber, mutmaßlicher Superminister einer Regierung Merkel, ist da vorsichtiger. Es gehe ab jetzt darum, sagte er am Wahlabend, Eckpunkte der Steuerpolitik und der Sozialpolitik festzulegen.

Dabei haben die politischen Schwestern CDU und CSU auf beiden Feldern, bei Steuern und Sozialem, bereits heftige Kämpfe hinter sich – die ohne echte Einigung zu Ende gingen. Die CDU plädiert bei Steuern und Kassenbeiträgen für radikale Vereinfachungen. CDU-Finanzguru Friedrich Merz etwa will eine Simpelsteuer mit nur drei Tarifen von 12, 24 und 36 Prozent – alle Abschreibungsmöglichkeiten will er abschaffen. Und gesundheitspolitisch setzt die Union statt des bisher gehaltsabhängigen Krankenkassenbeitrags auf eine Pauschale von plus/minus 250 Euro. Die CSU liebt, kurz gesagt, beide Pauschalmodelle nicht. Sowohl bei der Steuer als auch bei den Sozialabgaben plädiert sie für leistungsabhängige Tarife beziehungsweise Beiträge. Sie vertritt den alten sozialstaatlichen Ansatz, dass breite Schultern mehr (bei)tragen müssen als schmale.

Das verwässert natürlich die vermeintlich fertigen Konzepte. Beispiel Gesundheitspolitik: Die ursprünglich mit 250 Euro veranschlagte Kopfpauschale mutierte so im Laufe der Zeit in eine Gesundheitsprämie von 109 Euro – die durch komplizierte weitere Komponenten ergänzt werden muss. Expertenmeinung: Das funktioniert nicht, das ist kein Einheitspreis mehr für Gesundheit. Beispiel Steuerpolitik: Aus der flachen Dreistufensteuer von Merz wurde eine mehr oder weniger handelsübliche, also schwer verstehbare Progressivsteuer. Expertenmeinung: Merzens Entwurf, der auf einen Bierdeckel passen sollte, wurde verhunzt. Unangenehmes Nebenergebnis des Unionszwists: Ihre beiden ausgewiesenen Figuren, Horst Seehofer und Friedrich Merz, zogen sich beleidigt zurück.

Manch einer befürchtet, dass die Union innenpolitisch eine härtere Gangart als Rot-Grün einlegen könnte und gesellschaftspolitisch ein Rollback anstreben könnte. Dagegen spricht: Mehr Law and Order als bei Otto Schily ist kaum denkbar, nicht mal unter einem Innenminister Günther Beckstein (CSU). Auch sind gesellschaftliche Errungenschaften wie das neue Staatsbürgerrecht oder die Homo-Ehe einfach nicht das Thema der Union. Es geht um Arbeit, Arbeit, Arbeit, so lautet das gegenwärtige Unionsmantra und so sagte es gestern auch Edmund Stoiber: „Wir müssen alle Weichen in Deutschland auf Wachstum und Arbeitsplätze stellen.“ In Leitmotiven heißt das bei der künftigen Kanzlerkandidatin Merkel: Sozial ist, was Arbeit schafft! Wachstum fördern! Raus aus der Schuldenfalle! Wenn das nicht Rhetorik bleiben soll, ist absehbar, was Schwarz-Gelb versuchen wird: einen Sparkurs – zugunsten von Investitionen.

Das bedeutet für die Arbeitsmarktreform sicher nicht, Hartz IV etwas abzuschwächen, sondern Richtung Hartz V weiterzuführen. Inklusive einer Schwächung der Tarifautonomie zugunsten betrieblicher Vereinbarungen. Die FDP, die sich gestern auf eine Koalitionsaussage zugunsten der Union festlegte, will die Macht der Gewerkschaften gar brechen, das hieße an der Tarifautonomie zu rütteln. Nicht nur bei der Wahl in NRW sind Arbeiter und Arbeitslose wie die Schafe von der SPD zur CDU geströmt. Womöglich sind sie Richtung Schlachtbank unterwegs.

CHRISTIAN FÜLLER