Das Unternehmen Kirche

Beim Blick in die Zukunft muss auch die Evangelische Kirche in die Kassen schauen. Und weil sich darin immer weniger Geld findet, darf sie sich schon auf eine ganze Reihe unangenehmer Fragen einstellen. An der Verkündung aber wird zuletzt gespart

Von Stephan Kosch

Immer weniger Kunden kommen, die Einnahmen sinken. Ein Umschwung ist nicht in Sicht. In einem Unternehmen müsste das Management in so einer Situation radikale Maßnahmen ergreifen. Kosten senken, Kernkompetenzen stärken, Geschäftsbereiche abstoßen. Notfalls einen Fusionspartner suchen.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ist kein Unternehmen – und reagiert doch mit vergleichbaren Instrumenten. Denn volle Hallen auf Kirchentagen können nicht darüber hinweg täuschen, dass die Lage für die Evangelische Kirche auf dem Markt der Ideologien schwerer wird. Sie muss mit immer weniger Geld auskommen. 2004 lag ihr Kirchensteueraufkommen bei 3,8 Milliarden Euro, gut acht Prozent weniger als im Vorjahr. „Die Einnahmen sinken tendenziell seit 1993“, sagt Thomas Begrich, Leiter der EKD-Finanzabteilung. Effekte von Steuerreformen, die Arbeitslosigkeit, das alles spielt eine Rolle. Aber: „Hauptgrund ist der Rückgang der Gemeindegliederzahlen.“

25,8 Millionen Protestanten wurden 2003 noch gezählt, fast drei Millionen weniger als zehn Jahre zuvor. Gegenwärtig treten etwa 170.000 Menschen pro Jahr aus der Kirche aus, nur 60.000 kommen jeweils dazu. Doch das ist für Begrich kein Ausdruck wachsender Kirchenkritik. Denn seit Mitte der 90er Jahre seien die Austrittszahlen so niedrig wie seit den den 60er Jahren nicht mehr. „Den Kirchen laufen die Mitglieder nicht weg.“ Hauptgrund für die sinkenden Zahlen sei der demographische Wandel – und die damit verbundene Überalterung der Gesellschaft.

Eine Entwicklung, die die Kirche kaum steuern kann. Wenn die Kunden also ausbleiben, weil es weniger Potenzial gibt, muss ein Unternehmen reagieren und sich dem veränderten Markt anpassen. So macht es auch die Kirche. „Wir müssen strukturelle Veränderungen vornehmen. Es gibt Arbeitsbereiche, die verringert werden oder gar ganz wegfallen müssen“, sagt Begrich.

Akademien, Kindergärten, Krankenhäuser, Kirchenmusik, Schuldnerberatungen – die Evangelische Kirche hat in finanziell guten Zeiten ihr Netz weit hinein in viele gesellschaftliche Bereiche gespannt. Schließlich wollte sie ja mitten im Leben stehen. Doch worauf kann in Zukunft verzichten werden? Hier äußert sich der Oberkirchenrat diplomatisch. „Welche Schwerpunkte zukünftig gesetzt werden sollen, entscheidet nicht die EKD sondern jede Landeskirche für sich.“

Die Krise muss vor allem an der Basis, in den Gemeinden, bewältigt werden. Sicher, viele Kirchen und Gemeindehäuser sind mittlerweile zu groß geworden und im Unterhalt sehr teuer. Sie könnten verkauft werden. Aber selbst wenn die Pietät das zulässt – das Tafelsilber lässt sich nur einmal verscherbeln. Und früher oder später stehen schmerzhafte Entscheidungen an. Wie lange leistet man sich noch einen Kindergarten und sein Personal? Können 1-Euro-Jobs Abhilfe schaffen? Unangenehme Fragen für einen Arbeitgeber, der schnell die Wirtschaft kritisiert, wenn Kündigungen anstehen.

Ausgenommen von der Bedrohung durch Kündigung sind die Pfarrer. „Die Kernkompetenz der Kirche liegt in der Verkündigung und Seelsorge“, sagt Begrich. Der traditionelle Beruf, der beides wahrnehme, sei der Pfarrer. „Deshalb ist dieser Beruf unaufgebbar.“ Und auch den Beamtenstatus, den die Kirche ihren Dienern verleiht, steht offenbar nicht zur Disposition.

Dennoch sind Pfarrer vom Stellenabbau betroffen. Denn weil ihre Zahl an die der Gemeindemitglieder gekoppelt ist, werden die Gebiete, die ein Pfarrer betreuen muss, immer größer. Gerade in den östlichen Landeskirchen sind Pfarrer, die zehn Dörfer betreuen müssen, keine Ausnahme mehr. Das sorgt für Mangelverwaltung bis hinein in die Kernkompetenz: „Die modernen Kommunikationsmittel können helfen. Aber die seelsorgerliche Arbeit wird schwieriger, weil die Wege weiter werden“, räumt Begrich ein.

Was also tun? Neue Einnahmequellen erschließen? Rund 250 Millionen Euro pro Jahr kommen durch den so genannten „Gemeindebeitrag“ in die Kirchenkassen – ein freiwilliger Obolus, den auch die leisten, die keine Steuern zahlen. 300 Millionen Euro bringen Spenden und Kollekten. Bei Gesamtausgaben von über zehn Milliarden Euro 2003 müsste die Spendenbereitschaft aber deutlich steigen.

Bleiben also Fusionen von Landeskirchen und Gemeinden. Zumindest stärkere Kooperationen. „Da haben wir in der evangelischen Kirche noch ein großes Potenzial“, zeigt sich Begrich optimistisch. Immerhin sind schon ganze Landeskirchen fusioniert, wie die von Berlin-Brandenburg mit der der schlesischen Oberlausitz. Mecklenburg und Pommern verhandeln noch. Doch auch hier greift die Parallele zur Wirtschaft. Fast jede Fusion kostet irgendwann Arbeitsplätze.

Es führt also kein Weg daran vorbei, die Kirche von morgen wird weniger Mitarbeiter haben. Das breite Angebot mag es insgesamt noch geben, aber eben nicht mehr überall. Was wo wegfällt, darüber wird noch lange gestritten werden. Die Entscheidungsprozesse dauern bei der Kirche länger als in einem Unternehmen. Aber darüber darf man sich eigentlich nicht beklagen.