„Er wächst und gedeiht“

Vortrag Marcel Stoetzler spricht über den Kapitalismus in der Krise und die Revolution

■ 46, lehrt Soziologie in Wales und hat John Holloways Buch „Kapitalismus aufbrechen“ ins Deutsche übersetzt.

taz: Herr Stoetzler, stehen wir vor einer Revolution?

Marcel Stoetzler: Das würde mich wundern. Die Frage scheint mir aber etwas irreführend: Revolution in dem marxistischen Sinn ist erstens nicht im Rahmen eines einzelnen Landes vorstellbar, und zweitens wäre wohl keine einzelne Person in der Lage ein solches Ereignis vorherzusagen. Aber die Frage der menschlichen Emanzipation steht auf der Tagesordnung, seit es menschliche Geschichte gibt.

Es heißt, der Kapitalismus stecke gegenwärtig in einer Krise.

Nein. Auf der ganzen Welt wächst und gedeiht der Kapitalismus. Die gesellschaftliche Ordnung an sich ist die Krise. Es gibt lediglich eine Verschärfung der allgemeinen Entwicklungstendenzen des Kapitalverhältnisses.

Was meinen Sie, wenn Sie anlehnend an John Holloway von „Revolution als Öffnung der Geschichte“ sprechen?

Wenn wir mit Revolution ein Ereignis meinen, das das Ende des Kapitalismus markiert, dann bedeutete dieses Ereignis dass die Gesetze der kapitalistischen Gesellschaft aufhören zu gelten, und damit eine neue Geschichte möglich wird, die offen ist, von der wir also nicht viel sagen können.

Was heißt das?

Nach Holloway müssen wir das Kapitalverhältnis nicht zerstören, sondern aufhören es jeden Tag neu herzustellen.

Einfach nicht mehr zur Arbeit gehen?

Das ist ein Aspekt. Es muss ein anderes gesellschaftliches Verhältnis entworfen werden. Ich nenne es Kommunismus, womit ich den Zustand meine den Adorno als den beschrieben hat in dem man ohne Angst verschieden sein kann. INTERVIEW: TDI

20 Uhr, Infoladen, St. Paulistr. 10