Schulden ohne Ende

Die Schuldnerberatung für Straffällige sollen künftig schlecht ausgebildete und überforderte Bedienstete übernehmen. Neue Straftaten drohen

bremen taz ■ Über die Vergangenheit spricht er nicht gern. Peter Meier (Name von der Redaktion geändert) redet lieber über die Zukunft, und die sieht aus seiner Sicht nicht rosig aus. „Wenn die Zuschüsse für die Schuldnerberatung für Straffällige weggekürzt werden, gehen die Knackis doch wieder klauen – und das kostet den Staat dann noch mehr Geld“, sagt der 57-Jährige. Justizsenator Henning Scherf (SPD) will zum 1. Januar 2006 die Zuschüsse für die Schuldenberatung des Vereins Bremische Straffälligenbetreuung kappen – insgesamt 65.000 Euro jährlich.

Dadurch würde die Stelle von Bettina Harsleben wegfallen, die sich seit 25 Jahren um die Entschuldung Inhaftierter müht. Über 100 Klienten betreut sie, viele stehen auf der Warteliste. Nur wer seine Schulden reguliere, reguliere auch sein Leben, sagt sie.

Meier ist entsetzt über die Pläne des Senats: „Hätte es Frau Harsleben nicht gegeben, weiß ich nicht, wo ich heute wäre.“ Fünf Jahre hatte er im Gefängnis Oslebshausen gesessen, verurteilt wegen Totschlags in einem minder schweren Fall. Die Ausgaben liefen weiter, Meier konnte nicht zahlen, weil er saß. Die Schulden wuchsen ihm über den Kopf, Meier sah keine Perspektive. „Als ich ihn das erste Mal traf, war er niedergeschlagen und mutlos, wie viele andere Inhaftierte“, erzählt Harsleben. Mit Meier machte sie einen Kassensturz, das Ergebnis: Die Schulden wuchsen stetig, vor allem, weil Meier eine Rente an die Witwe seines Opfers zu leisten hatte, ohne dass er sie hätte zahlen können. Dazu hatte der Straftäter Kredite abzuzahlen und Wiedergutmachung zu leisten.

Harsleben erreichte, dass die Gläubiger auf Teile ihrer Forderungen verzichteten, erwirkte zudem eine Stundung. „Viele Gläubiger haben eingesehen, dass Herr Meier das alles nicht zahlen konnte. Viele waren froh, dass sie überhaupt etwas bekamen“, sagt sie. Letztlich reduzierten sich Meiers Schulden mit ihrer Hilfe von einst über 128.000 Mark (rund 65.000 Euro) auf heute gut 9.000 Euro – die Meier jetzt wacker abzahlt. „100 Euro im Monat schaffe ich immer – auch wenn ich wie gerade wieder mal arbeitslos bin“, sagt er. Mit Gelegenheitsjobs als Lkw- und Stapler-Fahrer schlägt er sich durch. „Hätte ich immer noch so horrende Schulden, hätte ich doch nie einen Führerschein machen können. Ein Arbeitgeber hätte mich nie eingestellt, wenn Teile meines Lohns gepfändet würden.“ Meier ist stolz darauf, „nichts mehr mit den Gerichten zu tun zu haben“. In fünf Jahren will er seine Schulden los sein. Er meint aber auch: „Ohne Frau Harsleben hätte ich das nie geschafft.“

Werden die Kürzungen Wirklichkeit, müssen die Mitarbeiter im Vollzug die Schuldenberatung übernehmen. „Abgesehen von unserem Personalstand – das ist nicht leistbar. Dafür fehlt unseren Leuten die Ausbildung und das Fachwissen“, sagt Uwe Ballandis vom Personalrat der Justizvollzugsanstalt Bremen.

„Die Haushaltslage zwingt uns dazu, die Mittel für den Verein einzusparen“, sagt dagegen die Sprecherin des Justizressorts, Lisa Lutzebäck. Leicht sei der Schritt nicht. Die Beschäftigten der Gefängnisse würden geschult, die Aufgaben von Bettina Harsleben zu übernehmen. Ziel sei es, die Schulden der Inhaftierten nicht weiter ansteigen zu lassen. „Die Schuldnerberatung bleibt unsere Verpflichtung“, so die Sprecherin.

Darauf können die Häftlinge, die ernsthaft an einer Resozialisierung interessiert sind, nur hoffen. „Alle im Knast haben Schulden“, sagt Meier: „Allein schafft man das nicht. Und wenn man aus dem Knast kommt und eh nur schwer einen Job findet – warum soll man dann arbeiten, wenn gleich alles wieder an irgendwelche Gläubiger geht?“ Meier weiß: „Da hat doch keiner Bock drauf.“

Kay Müller