strafplanet erde: heil die welt, bauherr von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Könnte bitte mal jemand das Wort „Erwartungshaltung“ aus dem Kommunikationsbrei filtern? Eine utopische Vorstellung, ich hab’s geahnt. Aber ist doch wahr: Man braucht es nicht. „Erwartung“ reicht, wie eine von mir betreute, also unsystematische Testreihe ergab.

Es schulmeisterte in mir noch eine Weile so vor sich hin. Erst als ich radelnd einem Grüngürtel entgegenschnürte, ließ sie nach, die Enge. Als sei ich in ein Energiefeld geraten, das sich mit jeder Zahnkranzumdrehung verstärkte, Schwingungen, Resonanzen von Schwingungen, fantastisch. Rechts lag der Friedhof, wo die sterblichen Überreste Kurt Schwitters’ ruhen. „Man kann ja nie wissen“ ist auf den Grabstein gemeißelt. War es die Hintergrundprojektion dieser Inschrift, die den Kräftestrom in Wallung brachte? Kaum. Dem Friedhof gegenüber ein rein weißer Neubaukomplex mit fast einhundert feinstofflich ausbalancierten Komfortwohnungen, der musste es sein.

Der Neubaukomplex trägt einen Namen: „Vasati“. Vasati, ein Geschwister des Feng Shui, ist ein „ganzheitliches Architekturkonzept, das auf der Grundlage des Vastu, der altindischen Wissenschaft des Bauens, für den Westen entwickelt wurde“.

Bevor man zu buddeln begann, wurde das Gelände auf Erdstrahlen und Wasseradern untersucht. Die Gebäude inklusive Tiefgarage sind nach den Empfehlungen von Lebensenergieforschern ausgerichtet. Die „frischen, lebendigen und gesundheitsfördernden Energien des Sonnenaufgangs“ nimmt im Nordosten ein Wasserreservoir auf, verstärkt sie, strahlt sie ab. Peng. Obendrein wird das Trinkwasser „vitalisiert“, gereinigt von „feinstofflichen Belastungen“ und mit der „Information von ursprünglichem Quellwasser“ angereichert.

In der gesamten Anlage ist ein „blockadefreier Energiefluss zwischen den Himmelsrichtungen“ gewährleistet, schau an, ein Lebensenergiestrom, ein Gesamtenergiefluss. Jede Wohnung weist einen freien Energiefluss und ein energetisches Zentrum auf. „Masse und Proportionen“ sind mit den „kosmischen und natürlichen Resonanzprinzipien“ abgeglichen. Das „i-Tüpfelchen der Optimierung“: Für jede Wohnung wurde als feinstofflicher „Geschmacksverstärker“ ein Mandala entworfen. Fazit: „Auch der private Lebensbereich, der Beziehungsbereich und die finanzielle Entwicklung werden positiv beeinflusst.“ Mehr kann man nicht verlangen.

Integriert hat der Bauherr, wie üblich bei Heilsprognosen, auch die Resistenz gegen Spott: Er „gleitet an uns kommentarlos ab“. Ganz so kommentarlos denn doch nicht: In der Stadt, in der das Grundstück liegt, scheitern „Projekte und Perspektiven, die innovativ Zukunft gestalten … nur zu oft an filzigem Sumpf, dumpf-gierigem Kurzblick und angstgesteuerter gaukelhafter Sicherheit des Bestehenden.“ Das musste so deutlich mal gesagt werden.

Den Westen als therapeutische Anstalt betrachtend, trat ich in die Pedale, bis ich abhob. Und schwebte. Und im Äther einen Notruf aus Millionen Kehlen hörte: „Gib mir Energie!“ Am Horizont flimmernd eine Welt als überschaubare Wellness-Oase mit sanft veredeltem Energiegenuss. Denn das Leben im Profit-Center ist hart genug.