100 Jahre Kinder- und Jugendhilfe: Lachendes Auge, weinendes Auge
Seit dem Jahr 1924 gibt es Jugendämter. Für viele Beschäftigte ist das nicht nur ein Grund zum Feiern – sie kritisieren die oft schlechten Arbeitsbedingungen.
Gleichzeitig gibt es auch Kritik. Die AG Weiße Fahnen, eine Gruppe von Beschäftigten in Berliner Kinder- und Jugendeinrichtungen, ruft am Montagnachmittag um 16 Uhr zu einer Protestfeier vor dem Roten Rathaus auf. Die Aktivist*innen wollen dabei keineswegs die historischen Verdienste der Pionier*innen der Jugendarbeit aus der Weimarer Republik in Abrede stellen, die unter anderem auch in sozialistischen und kommunistischen Bewegungen aktiv waren.
Ihr Fokus liegt dagegen auf den aktuellen Arbeitsbedingungen im Jugendhilfesystem, die oft unzureichend sind und die Beschäftigten an ihre Grenzen bringen. Die Aktivist*innen fordern deshalb nicht nur eine Anerkennung der historischen Leistungen, sondern auch eine grundlegende Reform des Systems, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und eine zeitgemäße Jugendhilfe zu gewährleisten.
Arbeitsbedingungen sind unzureichend
Diejenigen, die täglich das Jugendhilfesystem am Laufen halten, und die Menschen, die im System keine Hilfe bekommen, sehen keinen Grund zum Feiern, wird in dem Protestaufruf hervorgehoben. „Es fehlt an allen Ecken und Enden. Während oben Kaviar gereicht wird, kämpfen wir unten um das Nötigste: Klopapier, Dolmetscher, Ausstattung, jeden Cent, notwendige Hilfen, jede Fachleistungsstunde oder die Hauptstadtzulage für Alle“, fasst Verena Bieler von der AG Weiße Fahnen sehr anschaulich zusammen.
Das gesamte System der Jugendarbeit stehe vor dem Kollaps. Überall herrsche Elendsverwaltung. In dieser Situation sei kein Raum für große Jubiläumsfeiern, meint nicht nur Verena Bieler. Zur Protestkundgebung wollen auch weitere gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte der Kinder- und Jugendarbeit kommen. Auch der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) sowie der Berliner Solidaritätstreff für Sozialarbeiter*innen rufen zur Protestfeier auf.
Trotz der ernsten Lage wollen die Protestierenden die gute Stimmung nicht vermiesen lassen und fordern auf, zur Protestfeier Konfetti, Tröten, Girlanden und Partyhütchen mitzubringen. Dabei stehen die Dringlichkeit ihrer Anliegen im Vordergrund: Sie fordern eine bessere Finanzierung der Jugendhilfe, angemessene Entlohnung und ausreichende Mittel für die Ausstattung der Ämter und Projekte sowie eine stärkere Beteiligung der Basis bei wichtigen Entscheidungsprozessen in der Kinder- und Jugendhilfe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!