Interkultureller Dialog übers Ökoklosett

Ein deutsch-sambisches Studententeam will Ökoklos in Sambia einführen – weil das Land keine Kläranlagen hat. Über die kulturellen Hürden des Projekts, das es ins Finale des Mondialogo-Wettbewerbs für Ingenieure der Weltbildungsorganisation Unesco und DaimlerChrysler geschafft hat

„Mondialogo ist natürlich eine ‚Imagekampagne‘ von DaimlerChrysler. Aber es hat den Anstoß dazu gegeben, unsere Idee von den Ökoklos für Sambia weiterzuverfolgen“

Barbara Wagner war überrascht, als sie in Sambia ankam. Die 26-Jährige war in vielen Entwicklungsländern, in Sri Lanka zum Beispiel, in Nepal und in Afghanistan. Aber etwas war anders in der sambischen Hauptstadt Lusaka: „Die Menschen dort sind uns Europäern so unglaublich ähnlich“, erzählt sie. „Die Mädels diskutieren über Klamotten, abends geht man was trinken oder ins Kino – in der städtischen Mittelschicht ist fast alles erstaunlich normal.“

Fast alles, aber eben nicht alles. Sonst wäre Barbara Wagner von der TU Berlin auch nie in das tropische Land im Süden Afrikas geflogen. Was es zum Beispiel nicht gibt in Sambia, sind Kläranlagen. Oder eine funktionierende Abwasserentsorgung. Die Bauingenieurstudentin arbeitet deshalb gemeinsam mit anderen Studierenden und einem Doktoranden an einem Projekt: Das Team will Toiletten bauen. Ökologische Toiletten, die Fäkalien und Urin als Dünger wiederverwerten.

Studentin Wagner und ihre deutschen und sambischen Kommilitonen sind eines von fünf deutsch-internationalen Teams, die es in die Endausscheidung für den „Mondialogo-Engineering-Award“ geschafft haben. Mondialogo ist ein weltweiter Ingenieurswettbewerb, initiiert von einer Public Private Partnership zwischen DaimlerChrysler und Unesco, dessen Finale am Wochenende in Berlin stattfindet. Im Wettstreit um 300.000 Euro Preisgeld standen 412 Teams aus je einem Industrie- und einem Entwicklungsland.

„Der Wettbewerb ist eine gute Plattform, um Ideen zu verwirklichen“, sagt Wagner. Sie glaubt aus dem Projekt so viel gelernt zu haben wie sonst kaum irgendwo. Nicht nur über die Technik der Klospülung, sondern auch über internationale Zusammenarbeit. Mondialogo hält sie zwar für eine „Imagekampagne“ von DaimlerCrysler. „Dennoch bin ich dankbar, dass der Wettbewerb unserem Team den Anstoß dazu gegeben hat, unsere Idee weiterzuverfolgen.“

Einfach war das nicht immer. Schon allein die Kommunikation mit Sambia war kompliziert: „Die Telefonverbindungen funktionieren meistens nicht oder nur sehr schlecht“, sagt die Studentin. Am Anfang gab es hauptsächlich E-Mail-Kontakt. „Wir hatten oft Angst, etwas falsch zu machen oder zu dominant auf die anderen zu wirken.“ Es sei nicht einfach, fremde Personen einer fremden Kultur einzuschätzen – wenn man sie nie gesehen hat.

„Es gibt große Unterschiede in der Art und Weise, wie Deutsche und Sambier kommunizieren“, findet auch Chibesa Pensulo, die sambische Projektpartnerin der Berliner. „Deutsche sind viel zielorientierter, während Sambier sich stärker auf die Personen konzentrieren, mit denen sie zusammenarbeiten.“ Sambier würden leicht denken, dass Deutsche unsensibel sind und soziale Kontakte zu wenig pflegen, während Deutsche die Sambier häufig für zu wenig seriös hielten.

Trotzdem seien größere Missverständnisse ausgeblieben. „Wir waren uns sofort sympathisch“, erzählt auch ihre deutsche Kollegin. „Die beiden sambischen Studenten waren uns sogar sehr ähnlich.“ Heute tauscht das Team täglich an die zehn E-Mails aus. Zu Beginn gab’s nur alle paar Wochen eine.

Vor Ort haben die deutschen gemeinsam mit den sambischen Teammitgliedern einen geeigneten Ort für ein Modell-Ökoklo gesucht; danach tüftelten sie zusammen an den technischen Details. Die Düngertoilette soll aussehen wie ein kleines Gartenhäuschen, zu dessen Hinterausgang Urin und Fäkalien säuberlich getrennt herausgeleitet, gesammelt und in der Sonne getrocknet werden. Stehen soll das Häuschen auf einem Schulhof, mitten in den Slums.

Das Mondialogo-Team hofft, dass die Kinder dort erfolgreich lernen, dass man aus Scheiße zwar kein Gold, aber immerhin Dünger machen kann. Praktischen Landwirtschaftsunterricht haben die Schüler auf Freigeländen sowieso. Sollte das Dünger-Experiment gelingen, könnte er sofort vor Ort eingesetzt werden. „In diese Schule zu gehen hielten wir für erheblich besser, als einzelne Familien in ihrer Privatsphäre zu belästigen“, erzählt Barbara Wagner. Im Idealfall sollen die Kinder ihre Eltern von dem Modell überzeugen, das in Sambia einige Akzeptanzprobleme zu überwinden haben wird.

„Mir fällt es inzwischen schwer zu verstehen, warum Generationen von Leuten es akzeptabel gefunden haben, Trinkwasser zu verschwenden, um ihre Exkremente in der Toilette herunterzuspülen“, sagt Chibesa Pensulo. Doch diese Denkweise ist längst nicht Common Sense: „Ich habe nichts gegen diese Toiletten“, erzählt ein Sambier zum Beispiel. „Aber ich fürchte mich vor den Reaktionen meiner Verwandten und Freunde.“ Die würden mit Fingern auf ihn zeigen, glaubt der Mann. „Sie werden darüber tratschen, dass ich meine eigene Scheiße im Garten verteile. Ich glaube, diese Toiletten sind nur eine gute Idee, wenn sie ein Geheimnis bleiben.“

Die Umsetzung der Idee in der sambischen Schule will das Team weiterverfolgen, egal, ob sie Mondialogo gewinnen. „Das Preisgeld wäre dafür schon äußerst hilfreich“, sagt die deutsche Studentin. Aufgeben will sie auf keinen Fall. „Notfalls könnten wir uns bei der EU oder anderen Geldgebern um alternative Finanzierungsmöglichkeiten bemühen“, sagt sie. Die Studentin selbst plant, aus den Projektergebnissen ihre Diplomarbeit zu schreiben.

Dass etliche Projektideen nach Ablauf des Mondialogo-Wettbewerbs nicht in die Tat umgesetzt werden können, findet sie sehr schade. „Es scheint ein generelles Problem in der Entwicklungshilfe zu geben, dass viele Konzepte in der Schublade verschwinden und sich später neue Wissenschaftler den Kopf von vorne zerbrechen müssen.“

Die Studentin ist entschlossen, dass es bei ihrem Team anders laufen soll. Sie hat noch viel vor, gemeinsam mit den Sambiern. Im Moment versuchen sie, deutsch-sambische Schulkooperationen auf die Beine zu stellen. „Wir werden nach Ende des Wettbewerbs den Stift nicht fallen lassen.“ NADINE BÖS

Mondialogo Engineering Award und Mondialogo School Contest. www.mondialogo.org