in der taz vor 14 jahren: heide platen über die krise der sozial-ökologischen forschung
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Es darf geforscht werden – aber bezahlt wird nix. Daß das Flaggschiff der einstigen hessischen rot-grünen Koalition der frühen 80er Jahre sich derzeit mit dem Wasser beschäftigt, hat seine eigene Ironie. Egon Becker, interdisziplinärer Professor in Frankfurt und Galionsfigur des Instituts für Sozial-ökologische Forschung (ISÖ), lotete zum fünften Jahrestag die Untiefen aus, in denen der intellektuelle Anspruch gesellschaftskritischer Theorie grüner Prägung in den letzten Jahren versandet ist.

Lieb Kind ist das ISÖ nie gewesen. In der vier Jahre währenden CDU/FDP-Ägide witterten die zuständigen Sachbearbeiter marxistische Ansätze und drehten den Geldhahn zu. Seit 1989 versuchte das ISÖ auf eigene Rechnung zu überwintern. Daß die ForscherInnen in den letzten Wochen die Erfahrung machten, daß ihnen aus Wiesbaden eher der eisige Wind der Gleichgültigkeit entgegenweht als das Bedürfnis nach wissenschaftlicher Fundierung des eigenen Handelns, hat sie verblüfft.

Aber wie sich das für universell-universitäre Menschen gehört, haben sie auch gleich eine Erklärung parat. Der Ökologe Thomas Jahn machte gestern bei den Grünen die „Furcht, nicht normal zu sein“, aus. Diese Tendenz korrespondiere lückenlos mit dem „Katastrophismus“ der Freizeit, der am Biertisch das Unheil in Bangladesch und die Klimakatastrophe beschwöre. Solche Floskeln implizierten die neue grüne Fortschrittsgläubigkeit, die meine, so Jahn, durch Eingriffe Unheil abwenden oder nach und nach verringern zu können.

Egon Becker wandte sich an Umweltminister Fischer, dem er vorwarf, lösungsfetischistisch zu argumentieren. Lösungen, die ohne „einen selbstdestruktiv wissenschaftlich-technischen Fortschritt nicht bestehen würden“, seien ohne neue Eingriffe eben nicht zu bewerkstelligen. Und die haben wiederum Folgen und bedürfen deshalb der Forschung. Und dafür braucht es Forschungsmittel.

(taz, 25. 5. 1991)