Entscheidende Atomgespräche in Genf

Bei einem hochrangigen Treffen zwischen EU und Iran geht es heute um die Zukunft der Verhandlungen

GENF taz ■ Die iranische Regierung hat in den vergangenen Tagen mehrfach angekündigt, ihr seit über sechs Monaten eingefrorenes Programm zu Urananreicherung demnächst wieder aufzunehmen. Damit würde sie den Verdacht im Westen verstärken, sie strebe Atomwaffen an. Oder bleibt es doch bei der Suspendierung des Programms, wie von der EU erhofft – zumindest bis zu den iranischen Präsidentschaftswahlen am 17. Juni?

Die Antwort auf diese Frage wird spätestens heute Abend aus Genf erwartet. In der hiesigen UNO-Botschaft Irans treffen ab Mittag die Außenminister Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands sowie der EU-Außenbeauftragte Javier Solana mit dem Leiter des iranischen Atomprogramms Hassan Rohani zusammen. Eine derart hochrangige Begegnung beider Seiten fand letztmals im November 2004 in Paris statt.

Bei diesem Treffen wurden Verhandlungen über eine intensivierte wirtschaftliche und technologische Kooperation sowie über sicherheitspolitische Fragen vereinbart. Teheran sagte für die Dauer der Verhandlungen die Aussetzung der Urananreicherung zu, da die EU (und die USA) den Verdacht hegen, in den iranischen Anlagen werde Uran nicht nur niedergradig für die atomare Energiegewinnung angereichert, die unter dem Atomwaffenvertrag ausdrücklich erlaubt ist, sondern auch hochgradig für die verbotene Produktion atomarer Waffen. Doch in bislang fünf Verhandlungsrunden auf Ebene hoher Beamter beider Seiten wurden keine greifbaren Ergebnisse erzielt.

Für viele Beobachter kommt dies nicht überraschend. Denn das EU-Trio ging in diese Verhandlungen mit der Forderung, Iran solle endgültig und vollständig auf das Verfahren der Urananreicherung verzichten – selbst zum Zweck der Energiegewinnung. Diese Forderung ist nicht nur für die derzeitige iranische Führung völlig unakzeptabel. Auch im Parlament stößt sie bei Konservativen und Reformern auf fast geschlossene Ablehnung. Fast einstimmig forderte das Parlament die Regierung letzte Woche auf, die „fruchtlosen“ Verhandlungen mit der EU zu beenden und die Urananreicherung wieder aufzunehmen. „Die Aufgabe der Urananreicherung wäre dasselbe, als wenn wir einen Teil unseres Territoriums abtreten würden“ erklärte Expräsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, der beste Aussichten hat, am 17. Juni wieder in das höchste Staatsamt gewählt zu werden.

Sollte Rohani heute in Genf trotz dieser Stimmungslage in Teheran erklären, dass es vorläufig bei der Suspendierung der Urananreicherung bleibt, würden die Außenminister Straw, Fischer und Barnier diesen Zeitgewinn als Erfolg verkünden. Verbunden mit der stillen Hoffnung, dass die Haltung Irans nach den Wahlen am 17. Juni wieder flexibler werde. Wenn Rohani allerdings den Rückzug Irans aus den Verhandlungen und die Wiederaufnahme der Urananreicherung bekannt gibt, werden die USA schon morgen die von Brüssel im April versprochene Unterstützung der EU für die Durchsetzung von Sanktionen gegen Iran im UNO-Sicherheitsrat einfordern. ANDREAS ZUMACH