Flüchtlingscamp in Tegel: „Vernetzung hilft am besten gegen Isolation“
Am Freitag findet ein Straßenfest für das Tegel-Camp statt. Für Aktivistin Hanna Schwarz geht es dabei um mehr als kurzfristige Unterstützung.
taz: Frau Schwarz, die Zustände im Flüchtlingscamp in Tegel sind schon seit der Eröffnung 2022 katastrophal: schlechte Gesundheitsversorgung, Hygieneprobleme, Abschottung. Wie kann ein Straßenfest da helfen?
Hanna Schwarz: In erster Linie wollen wir die Isolierung der Menschen aufbrechen. Das Camp ist zwar theoretisch mit einem Bus angebunden, aber praktisch sehr weit vom Berliner Alltagsgeschehen entfernt. Der Kontakt zwischen dem Camp und den Stadtbewohner:innen ist recht eingeschränkt und wir haben den Eindruck, dass er auch nicht gewünscht ist. Darum haben wir bei dem Fest die Möglichkeit, von den Bewohner:innen zu erfahren: Was braucht ihr? Wie können wir euch unterstützen? Gleichzeitig können die Menschen mit Organisationen und Verbündeten in Kontakt kommen, um sich Unterstützung zu holen. Vernetzung hilft am besten gegen Isolation und Vereinzelung.
taz: Das Fest dient also vor allem der Vernetzung?
Hanna Schwarz, 34, engagiert sich in der Initiative Tegel Assembly. Seit 2017 ist sie Antirassismus-Aktivistin.
Schwarz: Natürlich soll das Fest auch einfach eine schöne Zeit für alle sein. Es wird kurdisches und ukrainisches Essen geben, außerdem Musik und ein Programm für Kinder. Aber unser Anliegen geht darüber hinaus: Wir kämpfen dafür, dass solche menschenunwürdigen Aufnahmelager wie in Tegel künftig nicht mehr gebaut werden.
taz: Welche anderen Ziele verfolgt Ihre Initiative Tegel Assembly?
Schwarz: Wir wollen eine Bewegung aufbauen, die sich kritisch mit dem aktuellen Lagersystem auseinandersetzt. Langfristig ist unser Ziel, dass niemand mehr im Tegel-Camp wohnen muss und Menschen richtig in Deutschland ankommen können. Natürlich kann man dafür nicht einfach nur das Lager auflösen, sondern muss Menschen bei der Wohnungssuche unterstützen, sodass sie selbstbestimmt leben können. Unsere utopische Zukunftsvision ist eine Welt ohne Grenzen und Lager. Wir stehen da manchmal vor einer Art Dilemma zwischen kurzfristiger Unterstützung und langfristiger Zukunftsvision.
taz: Worin besteht das Dilemma?
Schwarz: Momentan fehlt es im Lager an allen Ecken und Enden an allem Möglichen. Für viele Bewohner:innen geht es erst einmal um Grundbedürfnisse, nicht um einen Kampf gegen das deutsche Asylsystem. Unser Dilemma ist also konkret: Wie können wir die derzeitige Situation der Menschen verbessern und gleichzeitig unsere politische Handlungsmacht weiter ausbauen? Es geht um ein politisches Anliegen – wir wollen keine gutgläubigen Unterstützer:innen sein.
taz: Als Unterstützer:innen sind Sie in der Tegel Assembly organisiert. Wie ist die Initiative entstanden?
Schwarz: Die Initiative ist noch relativ jung und hat sich erst Anfang des Jahres richtig formiert. Im vergangenen November gab es im Camp einen rassistischen Angriff auf Kurd:innen. Daraufhin hat sich eine Gruppe kurdischer Bewohner:innen zusammengetan, um die Zustände anzuprangern. Im Frühjahr da gab es dann einen Brand auf dem Gelände – auch da wurden Missstände deutlich.
taz: Und dann?
Daraufhin ist ein monatliches Austauschtreffen entstanden, um über Missstände wie die rassistische Sicherheitsinfrastruktur und die Hygieneprobleme im Camp zu sprechen. Die Brandbreite an Menschen, die sich gegen diese Missstände stark machen, reicht von kurdischen Aktivist:innen, über Antifa-Gruppierungen bis hin zu Einzelpersonen aus der Klimagerechtigkeitsbewegung.
Am Freitag 18. Oktober, 13 – 18 Uhr, Turbulence Gelände, Flughafen Tegel
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