das wird: „Ich male so, wie man denkt und durchs Leben geht“
Der Maler Dieter Glasmacher zeigt in Hamburg, wie man den Humor ins Bild bekommt
Interview Frank Keil
taz: Herr Glasmacher, Ihre Ausstellung hat den Titel: „Das muss geübt werden. Oben – Unten“. Was muss geübt werden?
Dieter Glasmacher: Unser Zusammenleben muss geübt werden. Und als Künstler musst du auch ein bisschen üben. Und dann ist die Frage: Was gehört oben auf die Leinwand und was gehört unten auf die Leinwand, dass man ein gutes Bild malt.
taz: Die Aufforderung zu üben, ist das auch Unmut, dass heute vieles einfach so rausgehauen wird?
Glasmacher: Oh ja! Speziell, wenn ich unsere Neuen Medien schaue: Da kann jeder mitmachen, weil die Formen, die einem geboten werden, sind ja wunderbar! Nur wenn man nun den Text, den man zum Beispiel mit seinem Handy auf Instagram postet, mit der Hand schreibt oder man würde die Fotos vorher selbst entwickeln, bevor man sie einstellt, dann würde man merken: ‚Das ist ja Mist! Was soll das? Das lassen wir mal lieber!‘ Vieles geschieht ohne Übung und auch ohne Wissen. Viele, die heute etwas machen, haben oft auch keine Ahnung, dass das alles schon gemacht worden ist, vor 60, 70 oder 80 Jahren. Daran will ich mich nicht beteiligen. Ich will versuchen gute Malerei zu machen. Und das heißt jeden Tag von neuem: üben.
taz: Was hat Sie als Maler geprägt?
Dieter Glasmacher
1940 in Krefeld geboren, studierte in den 60ern Kunst in Hamburg. Von 1995 bis 2003 war er Professor für Gestaltung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.
Glasmacher: Als Kunststudent in den 1960er-Jahren fand ich immer interessant, was die Leute in irgendwelchen Schmuddelkneipen auf der Reeperbahn an die Wände geschrieben haben: „Ich liebe dich“ oder „Mir geht es schlecht“ oder „Hilfe!“ und dann die Telefonnummer. Warum teilt sich hier jemand mit? Einfach so auf einer Wand! Dazu diese hilflosen Zeichnungen, die mich immer sehr angeregt haben. Das war für mich Street Art und Wall Painting. Was heute so genannt wird, ist ja nur Malerei draußen. Was mich auch inspiriert hat, waren die Bilder der Gruppe Cobra, die Arbeiten von Jean Dubuffet – wobei der für mich heute mehr was von Micky Mouse hat. Und dann: die Bilder von Meister Bertram und Meister Franke! Ich hoffe, sie hängen noch in der Hamburger Kunsthalle.
taz: Mittelalterliche Malerei …
Glasmacher: Das sind wahnsinnig moderne Bilder! Die Hintergründe oft mit Sternen und Streifen gemustert, darauf sind Figuren verteilt und dann: Schrift! Wunderbar!
taz: Ihre Bilder haben meist etwas von Bildtafeln. Wie gehen Sie beim Malen vor?
Ausstellung „Dieter Glasmacher. Das muss geübt werden. Oben-Unten“: bis 26. 10., Hamburg, Feinkunst Krüger, feinkunst-krueger.de
Glasmacher: Ich habe ein Archiv, mit Tausenden von Blättern, ein kleiner Teil ist übrigens ausgestellt. Oft benutze ich Fotos aus Illustrierten und da aus billigen Blättchen, wo die Fotos nicht so genau sind, sodass man durch die Fehldrucke angeregt wird, eine Art andere Farbigkeit zu wählen. Und dann ist da die leere Leinwand, nix ist drauf, und ich male vielleicht eine rote Figur. Dann sehe ich die Buchstabenzeile ‚Schnippschnapp‘ oder die Überschrift ‚Das rote A in Not‘ – oh, das würde passen. Und ich überlege: Wo kann das hinkommen? Vielleicht ist da noch ein Foto von einem Bienenstock, dann fange ich an, den zu malen, den zu verändern, treffe dann auf ein Muster, auf eine Figur, die raucht. Und so baut sich das Bild langsam auf, und das Bild, das entsteht, entfernt sich immer mehr vom Material. Im Grunde male ich so, wie man denkt, wie man guckt, wie man durchs Leben geht.
taz: Immer wieder kann man Bezüge zu Joseph Beuys entdecken …
Glasmacher:Von ihm habe ich, dass man den Humor ins Bild bringen sollte. Das passiert ja in der Kunst nicht oft, außer bei Karikaturen. Meine Bilder sind sehr lustig, obwohl sie das gar nicht sind. Und das ist Absicht. Mittlerweile gibt es viele Wandbilder, es gibt alles Mögliche, alles zusammengeklaut und man denkt: Das kenne ich doch. Bei meinen Bildern hoffe ich, dass das alles selbsterfunden ist.
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