Abenteuerunternehmen Schiffshostel

Edgar Schmidt von Groeling ist viel durch die Welt gereist. Nun hat er das erste schwimmende Hostel in Berlin eröffnet. Bevor er die ersten Gäste an Bord lassen durfte, musste er sich zunächst durch den Behördendschungel kämpfen

Die Mauer war noch nicht lange gefallen, und Edgar Schmidt von Groeling war bereits „superunglücklich“. Er lebte in einer Weddinger 24-m[2]-Wohnung, für 700 Mark Miete. „Da kann ich mir ja gleich einen Bauwagen nehmen, um meine Abenteuerlust auszuleben“, dachte er sich und schaute sich Camping- und Rollheimerplätze an. Letztlich kam er zu einem kleinen Hausboot im Tiergarten, und damit begann eine Geschichte, die nun ihren vorläufigen Abschluss fand.

Ob mit Happy End, kann der 42-Jährige gar nicht mal sagen, auch wenn er total froh ist, dass sein „Eastern Comfort“ endlich geöffnet hat. Zu viele Nerven hat ihn sein schwimmendes Hostel, das erste in Berlin, gekostet. Immerhin, das 40 Meter lange Schiff liegt fest vertäut am Spreeufer direkt hinter der East Side Gallery, an einem der attraktivsten Orte der Stadt. 24 Zimmer zu Preisen zwischen 17 und 35 Euro pro Person, teilweise mit Blick auf die Oberbaumbrücke oder auf den Fernsehturm – die Gäste bekommen was geboten. Allein der Hostel-Kapitän erweckt nicht den Eindruck holder Beglückung. Offenbar fehlt ihm die Kraft, den Stolz darauf zu zeigen, dass sein Traumschiff seit der Eröffnung Anfang April für jugendliche Gäste bereitsteht. So wie er es sich vorgestellt hat, als er vor fünf Jahren begann, seine Idee zu verwirklichen.

Damals war von Groeling noch in einem Berliner Architekturbüro beschäftigt und als Bauleiter unter anderem an der Sanierung der Platte beteiligt. Das hat ihm viel Spaß gemacht, aber die echte Abenteuer suchte er doch lieber zwischendurch in der Ferne. Im Winter reiste er immer mal durch die Welt, vor allem durch Afrika, wo er viele Freunde hat. Die Verbundenheit zum Kontinent rührt aus seiner Kindheit, als er mit seinen Eltern einige Jahre in Südafrika lebte. Mit 14 kam von Groeling, dessen Vater für einen Pharmakonzern oft im Ausland arbeitete, nach Deutschland zurück. Nach dem Architekturstudium in Hildesheim blieb er in Berlin hängen, weil ihm die Stadt so gefiel.

Nach einem Urlaubsjahr, in dem er mit einem Freund einen Abenteuertrip von Berlin nach Kapstadt unternahm, begann seine Karriere als Herbergsvater. Er ersteigerte ein Schiff mit einigen Kabinen, das er im Sommer Freunden überließ und nebenbei teilweise vermietete. „Als es mit meinem Job schlechter lief, habe ich überlegt: Warum nicht aus dem Hobby was Ernsthaftes machen und ein großes Hostel betreiben. Zumal es nicht viele günstige Herbergen für junge Reisende gab.“

Edgar Schmidt von Groeling begann, im Internet nach einem Schiff zu suchen, bekam Angebote aus Polen, den Niederlanden und Tschechien. Gefunden hat er es dann an der Nordsee. Die Weiße Flotte hatte es 1991 in Genthin bauen lassen, später lag es in Potsdam als Hotelschiff, zuletzt strandete es als erfolgloses Restaurantschiff in Wilhelmshaven. Von Groeling nahm einen Kredit auf und ließ das Schiff letzten Herbst auf abenteuerliche Weise nach Berlin transportieren.

Fast noch aufregender war die Irrfahrt durch den Behördendschungel. Erst nahmen einige Beamte die Sache nicht richtig ernst, dann zeigten sie sich als Verfechter der Bürokratiebewegung. Allerdings nicht alle, wie von Groeling betont. „Trotzdem ist so ein Schiff für viele Beamte natürlich unbekanntes Terrain, weshalb sie Maßstäbe wie an ein Wohnhaus anlegen“, erzählt er ohne Belustigung. Die Treppe zu steil, die Gänge zu schmal. Ohne Gutachten und Auflagen ging nichts. Eine Wohnung für sich durfte er auch nicht auf dem Schiff einrichten.

Die Zimmer sind in zweite und erste Klasse unterteilt, von Luxus ist relativ wenig zu spüren. Einen Roomservice gibt es nicht. „Es ist eben kein Hotel, manche Leute vergessen das. Die wollen für drei Euro ein Zimmer mit allem Tamtam.“ Auch deshalb wendet sich der „Eastern Comfort“-Chef vor allem an junge Leute. „Die wollen Berlin genießen und suchen nicht das Haar in der Suppe. Außerdem sind es oft interessante Typen.“

Von Groeling bekommt aber auch Anfragen von Berlinern. Kein Problem, wichtig ist ihm nur, dass das Schiff nicht zur Handwerkerunterkunft verkommt oder zum Stundenhotel. Interessenten gab es bereits. Andererseits möchte er sein Schiff auch nicht zur hippen Location machen. Eine Lounge ist zwar bald fertig, aber „zu Kaffee und Kuchen können gerne auch Omas kommen“. GUNNAR LEUE