In den Parteien regiert der Futterneid

In aller Eile rüsten sich die Parteien für die vorgezogene Bundestagswahl. Noch vor den Sommerferien stehen die ersten Wahlparteitage an. Der Kampf um vordere Landeslisten-Plätze und aussichtsreiche Direktmandate hat schon begonnen

VON MATTHIAS LOHRE

Manche Berliner Parteivertreter sehen so aus, als hätten sie seit Sonntagabend nicht mehr geschlafen, seit also Franz Müntefering vorgezogene Neuwahlen angekündigt hat. Die Landesverbände müssen Wahlparteitage, Landesvertreter- und Wahlkreisversammlungen organisieren, deren Mitglieder wiederum stellen die Landeslisten- und Direktkandidaten auf. Mit der heißen Wahlkampfphase hat auch das Rennen um die besten Plätze begonnen.

Nur noch vier Wochen bleiben den hiesigen Parteien, um sich auf die Bundestagswahl im September vorzubereiten. Denn vor dem Beginn der Sommerferien am 23. Juni wollen die meisten Parteien das Gröbste erledigt haben. Erst am kommenden Montag trifft sich der SPD-Landesvorstand, um den Wahl-Fahrplan zu beschließen. Schon jetzt stellen die Genossen Listen mit möglichen Wahlkreis- und Landesversammlungs-Vertretern zusammen. Widerstand regt sich offenbar gegen eine Spitzenkandidatur von Wolfgang Thierse. Dem Bundestagspräsidenten tragen hochrangige Genossen seinen Widerstand gegen den geplanten verpflichtenden Werteunterricht nach. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit will nur bestätigen, dass Thierse „einen prominenten Platz“ auf der Landesliste bekomme. Der lange geplante Parteitag zur „Sozialen Stadt“ am 18. Juni wurde abgesagt. „Anfang August“ soll er nachgeholt werden.

Spät dran ist die PDS. „Die Landesliste wird voraussichtlich am 6. und/oder 7. August 2005 gewählt“, sagt PDS-Landessprecher Axel Hildebrandt. Klar ist aber schon jetzt: Trotz des Medienrummels um Oskar Lafontaines Kandidatur für ein bundesweites Linksbündnis will die hiesige PDS nicht auf einer gemeinsamen Wahlliste mit „Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative“ (WASG) stehen. Die WASG profiliere sich „zumindest in Berlin vor allem als Kampfclub gegen die PDS“, sagt Petra Pau, die alte und neue Direktkandidaten für die PDS-Hochburg Marzahn-Hellersdorf. Auch ihre Bundestagskollegin Gesine Lötzsch tritt wieder in Lichtenberg an. Ob Gregor Gysi als Spitzenkandidat ins Rennen geht, steht immer noch nicht fest. Bundeswahlkampfleiter Bodo Ramelow schlug den Ex-Parteivorsitzenden derweil als Direktkandidaten in Treptow-Köpenick vor.

Bei den Grünen wird es eng auf den Listenplätzen. Am 19. Juni stellen sie ihre Landesliste auf. Spitzenkandidatin wird wieder Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast. Um den für Männer reservierten Platz 2 balgen sich Ex-Justizsenator Wolfgang Wieland und der Bundestagsabgeordnete Werner Schulz. Als unklar gilt noch immer, ob Christian Ströbele ebenfalls um Platz 2 kämpfen wird. Seine Alternative: Der 65-Jährige nimmt wie 2002 die Ochsentour auf sich, um als Direktkandidat den Wahlbezirk Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost zu gewinnen. Die Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz gilt als Favoritin für den aussichtsreichen Listenplatz 3.

Die CDU will ihre Direktkandidaten noch vor den Sommerferien aufstellen. Als gesetzt gilt laut Landesgeschäftsführer Matthias Wambach nur Petra Merkel in Charlottenburg-Wilmersdorf. Vor drei Jahren hatte die Union keinen einzigen Wahlkreis gewinnen können. Beim Kampf um die besten Landeslistenplätze hängt alles vom designierten Landesvorsitzenden Ingo Schmitt ab. Wer sich gut mit dem CDU-Strippenzieher versteht, darf auf einen vorderen Listenplatz hoffen. Dazu gehört Uwe Lehmann-Brauns, Ex-Kreisvorsitzender von Steglitz-Zehlendorf. Liberale Unionsleute wie Kulturexpertin Monika Grütters werden es hingegen schwer haben.

Alles klar ist schon jetzt bei der FDP. Auf Listenplatz 1 steht der Landesvorsitzende Markus Löning. Sein MdB-Kollege Hellmut Königshaus hofft auf den 2. Rang. Illusionen über ein Direktmandat machen sich die hiesigen Liberalen nicht. Schließlich wählt die Hauptstadt links. Zumindest traditionell.