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Archiv-Artikel

Gegenseitiges Abschmecken im linken Eintopf

Vertreter von PDS und Wahlalternative diskutieren über Möglichkeiten einer gemeinsamen Linkspartei. Die WASG ist trotz aller Kritik an der PDS dafür. Die Sozialisten hingegen sind skeptisch und setzen auf den eigenen Wahlkampf

„Wir haben vier Wochen Zeit zum Reden. Danach ist die Tür zu“

Da haben sie sich vor einem Jahr zusammengeschlossen, um zumindest in Berlin genau dieser Partei Kontra zu bieten. Und nun? Sie buhlen um die Gunst derselben. Die Rede ist von „Arbeit & soziale Gerechtigkeit – die Wahlalternative“ (WASG), besser bekannt unter dem Namen Wahlalternative. Und einsteigen wollen sie ins Boot der PDS.

Eigentlich hatte die Rosa-Luxemburg-Stiftung die PDS- und WASG-Vertreter am Dienstagabend zur bereits vor Wochen anberaumten Veranstaltung geladen, um das Wahlergebnis in NRW auszuwerten und darüber zu diskutieren, welche Chancen eine eventuelle Zusammenarbeit aller linken Kräfte mit Blick auf die Bundestagswahlen 2006 haben könnte. Doch an den dunklen Augenringen der PodiumsteilnehmerInnen war abzulesen, wie sehr die Ereignisse der vergangenen zwei Tage alle begonnenen Strategiedebatten der letzten Monate eingeholt haben und nun obsolet sind.

Im völlig überfüllten Veranstaltungsraum am Franz-Mehring-Platz wollten die Anwesenden alle nur Antwort auf eine Frage haben: Wird es zu den vorgezogenen Bundestagswahlen im September eine gemeinsame Linkspartei von PDS und WASG geben, wie es der linke Charismatiker Oskar Lafontaine direkt nach seinem Austritt aus der SPD zur Bedingung seiner wie auch immer gearteten Kandidatur gemacht hat?

„Wir haben vier Wochen Zeit, miteinander zu reden“, beschwor der Wahlkampfleiter der PDS, Bodo Ramelow, die Anwesenden. „Danach aber ist die Tür zu.“ In der Zwischenzeit werde er trotzdem den PDS-eigenen Wahlkampf vorbereiten. Ramelow, dem selbst Ambitionen auf den Bundesvorsitz der PDS nachgesagt werden, fügte hinzu, dass das Zeitlimit nichts mit Parteiarroganz zu tun habe. Aber die PDS verfüge über gewachsene Strukturen. Und die könne er mit waghalsigen Abenteuern nicht aufs Spiel setzen.

Klare Worte, die die Vertreter der WASG an diesem Abend sicherlich nicht gerne gehört haben. Ein Aufgehen der WASG in der PDS würde seine junge Partei zerreißen, erklärte Helge Meves. Das Berliner Mitglied im WASG-Bundesvorstand plädierte für eine neue Linkspartei, unter deren Dach sich sowohl die PDS als auch die WASG, vor allem aber auch zahlreiche Einzelakteure ohne Parteibuch sammeln könnten. Dafür erntete er spöttisches Gelächter im Publikum – offensichtlich aus der PDS-Ecke. Einer zeigte Meves den Vogel, ein anderer hielt seinen gesenkten Daumen in die Luft. „Sind das nicht dieselben, die uns vor einem Jahr noch den Garaus machen wollten“, flüsterte ein PDSler einem Genossen zu.

Auf den Zuschauerplätzen sieht man aber auch zahlreiche Gesichter, bekannt von den Montagsdemos gegen Hartz IV, dem gescheiterten Volksbegehren zur Abwahl des rot-roten Senats und den Gründungsveranstaltungen der WASG, auf denen es an Kritik an der PDS nicht gerade mangelte. An diesem Abend scheint die Missgunst jedoch verflogen zu sein. Gemäßigt im Tonfall, um ja nicht die PDS-Gemüter zu provozieren, gibt sich etwa Axel Troost, ebenfalls vom Bundesvorstand der WASG. Er sieht zwar durchaus die organisatorischen und zeitlichen Probleme, spricht aber von einer einmaligen historischen Chance: „Sitzt die SPD erst einmal auf den Oppositionsbänken und blinkt rhetorisch wieder links, haben die Menschen schnell vergessen, für welchen Mist die Sozialdemokraten verantwortlich sind.“

Es wäre ein „Treppenwitz der Geschichte“, meint im Anschluss an die Veranstaltung der linke FU-Politologe Elmar Altvater, wenn es tatsächlich dazu kommen sollte, dass sich die beiden Zugpferde Gregor Gysi und Oskar Lafontaine gegenseitig Konkurrenz machen. Aber auch Altvater fragt sich: „In welchem Land ist es gelungen, innerhalb so kurzer Zeit eine neue Partei zu gründen?“ Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, hofft Altvater jedoch. Der Bedarf an einer neuen linken Kraft in diesem Land sei zumindest groß. FELIX LEE

taz-dossier SEITE 4