Jagd auf die aromatischen Samen des Kakaobaums

Kakao ist knapp auf dem Weltmarkt. Das hat die Preise nach oben getrieben – und die Bohnen in den Fokus der organisierten Kriminalität gerückt. Nicht nur in Lateinamerika. Aber Peru und Ecuador sind besonders betroffen

Mehrere Kakaobäume tragen Kakaofrüchte

Diese Kakaofrüchte in Ecuador bergen ein rares und deshalb heiß begehrtes Gut Foto: Galyna Andrushko/imago

Von Knut Henkel

Die Staatsanwaltschaften in Ecuador haben es mit einem neuen Delikt zu tun: Angriffe von bewaffneten Banden auf mit Kakao beladene Sattelschlepper. Immer wieder werden Lkws aus den Kakao anbauenden Provinzen des Landes wie Los Ríos oder Esmeraldas gewaltsam gestoppt und ausgeplündert. Oft sind die Aktionen von organisierten Banden penibel geplant, oft kommen mehrere Fahrzeuge zum Einsatz und immer wieder kommt es zu Schusswechseln mit Wachleuten, zu Toten und Verletzten. Der letzte Fall, bei dem ein bewaffneter Wachmann starb, ein weiterer schwer verletzt wurde, datiert vom 20. Juli und ereignete sich auf der Strecke von Buena Fe im Süden des Landes in die Hafenstadt Guayaquil.

Laut der ermittelnden Staatsanwaltschaft waren zwölf Männer in vier Wagen für den Angriff und den Raub von Zugmaschine und Trailer verantwortlich. Der Sattelschlepper wurde jedoch wenig später von Polizei und Armeeeinheiten sichergestellt. Kein Einzelfall in Ecuador, wo die Kakaoernte gerade zu Ende ging und wo die Bauern angesichts steigender Preise seit rund zehn Monaten versuchen, ihre Produktion nach oben zu fahren, sagt Jan Schubert, Kakaospezialist der Edel-Schokoladenmarke „Original Beans“. „Die Rallye an der Börse mit Preisen von bis zu 12.000 US-Dollar pro Tonne Kakao hat dazu geführt, dass die Bauern vernachlässigte Flächen reaktiviert, Bäume beschnitten und gedüngt haben“, erklärt er. „Das führt zu Erntezuwächsen, ändert aber am bestehenden Defizit an Kakao nichts.“ Schubert lebt in Cuenca, einer Kolonialstadt im Süden des Landes, er konnte noch im letzten Jahr die Partnerkooperativen in den Anbauregionen ohne große Probleme besuchen. Das ist jetzt vorbei. „Die organisierte Kriminalität hat die Kakaobohne entdeckt, Angriffe auf Lkws, Lagerhallen und selbst auf Bauern, die ihre Ernte transportieren, sind alles andere als selten.“ Vor allem im unter organisierter Drogenkriminalität leidenden Ecuador, aber auch im benachbarten Peru ist das der Fall.

Das bestätigt Luis Mendoza, der Präsident der peruanischen Vereinigung der Kakaoproduzenten: „Überfälle auf Lagerhäuser im peruanischen Amazonasgebiet hat es gegeben, aber auch Angriffe auf beladene Lkws auf dem Weg von San Martín, einer von mehreren Anbauregionen für Kakao, nach Lima.“ Die hohen Kakaopreise haben laut Mendoza dazu geführt, dass Aufkäufer aus aller Welt auch minderwertige Bohnen zu hohen Preisen kaufen – und dazu, dass die Kriminalität rund um die Bohnen zunimmt. Der Kakaoexperte, der ganz im Norden Perus eine eigene Kakaofarm nahe der Stadt Piura unterhält, berichtet, dass die Bauern derzeit in kürzeren Abständen ernten. „So wollen sie Dieben auf den Feldern keine Chance lassen, verfrachten die Kakaobohnen anschließend schnell in bewachte Lagerhäuser.“

Rund um den Globus ist in den Kakao anbauenden Ländern das Kakaofieber ausgebrochen. Preise liegen derzeit bei rund 6.200 US-Dollar pro Tonne Kakao, dreimal höher als der Durchschnittspreis der letzten Jahre. Der pendelte oft um die 2.000 US-Dollar-Marke, daher war der Kakaoanbau für viele Bäue­r:in­nen nur bedingt reizvoll, so Mendoza. In Peru entschied sich die Regierung auch deshalb vor ein paar Jahren für die Förderung von Biokakao, für den Zuschläge gezahlt werden und der systematisch ausgebaut wird. Das Ziel: die Ernte von derzeit 150.000 bis 160.000 auf 200.000 Tonnen bis Ende 2030 zu steigern. Das wäre rund ein Drittel der Produktion von Ecuador, wo das Gros der Ernte von 400.000 bis 500.000 Tonnen allerdings nach konventionellen Kriterien angebaut wird. Hinter der Elfenbeinküste und Ghana ist Ecuador die Nummer drei auf dem Weltmarkt für Kakao, kann trotz Erntezuwächsen aber nicht ansatzweise die Ernteausfälle der anderen kompensieren. Die haben zu einem Run auf die aromatischen Bohnen geführt und den Preisboom nach sich gezogen.

Knapp 400.000 Tonnen weniger Kakaobohnen wurden in Ghana geerntet, etwa 500.000 Tonnen waren es in der Elfenbeinküste. Die Missernten in den beiden Ländern, die für rund 60 Prozent der Kakaoproduktion verantwortlich sind, haben zu einem Kakaodefizit auf dem Weltmarkt gesorgt. Das taxieren Experten auf mindestens 400.000 Tonnen. Verantwortlich für die Missernten ist, neben dem Klimawandel, die Überalterung der Kakaobäume, die sie für zwei Schädlinge, die derzeit in Westafrika weit verbreitet sind, anfälliger machen.

„Wir wissen nicht, ob wir ausreichend Biokakao erhalten“

Jan Schubert, Original Beans

Der Kakaomangel hat dazu geführt, dass Kakaoaufkäufer mit prall gefüllten Brieftaschen weltweit unterwegs sind, um so viel wie möglich für ihre Auftraggeber einzukaufen. Dafür werden Preise gezahlt, die manchmal oberhalb des Börsenpreises liegen, oft wird minderwertige Ware akzeptiert. Das hat dazu beigetragen, dass Bäue­r:in­nen ihre Ernte zum Teil nicht an die eigene Genossenschaft liefern, sondern Kakao wie in der Elfenbeinküste in großem Stil geschmuggelt wird. Faire Anbieter wie „Original Beans“ machen sich Sorgen. „Wir wissen nicht, ob wir in den nächsten Monaten ausreichend Biokakao erhalten werden, denn vieles deutet darauf hin, dass die Bäue­r:in­nen ihre Bioware an zahlungskräftige Aufkäufer verkaufen“, sagt Jan Schubert.

Gerade kleine und nachhaltige Schokoladenanbieter könnten laut Schubert leer ausgehen, obwohl sie traditionell besser zahlen als die Aufkäufer der Kakao verarbeitenden Industrie mit Großkonzernen wie Mars, Nestlé oder Mondelez. „Ein Mindestpreis, der es den Bäue­r:in­nen ermöglicht, von ihrem Kakao zu leben und ihre Einnahmen zu kalkulieren, wäre ein Fortschritt“, meint Schubert. Doch derzeit deute vieles darauf hin, dass es nach der Hochpreisphase einen Ausbau des Anbaus geben wird mit dann wieder sinkenden Preisen. Ein typischer Zyklus, der nicht im Interesse der Bäue­r:in­nen ist.