Neonazi-Kampftrainings in Berlin: Pankows Kampf gegen rechte Räume

Militante Neonazis trainieren seit Jahren in Pankow in bezirklichen Sportanlagen. Der Skandal beschäftigt auch die Bezirksverordnetenversammlung.

Das Bild zeigt einen Neonazi-Pullover

Neonazis des Dritten Wegs machen sich auch in Berlin immer mehr breit Foto: Sebastian Willnow/dpa

Berlin taz | Kurz nach Feierabend und brütend heiß – nicht unbedingt Idealbedingungen für eine Demonstration. Dennoch hatten sich am Mittwochabend etwa 100 Menschen vor Beginn der Bezirksverordnetenversammlung Pankow an der Fröbelstraße in Prenzlauer Berg versammelt. Ein paar kleine Banner, eine Box, aus der antifaschistischer Hip-Hop dröhnte, drei kurze Redebeiträge. Ihre Forderung: der sofortige Stopp von Trainingsmöglichkeiten für Neonazis auf Sportplätzen des Bezirks.

„Die trainieren da ja kein Tischtennis“, sagte ein Redner. Tatsächlich geht es um Kampfsport. Dafür treffen sich Anhänger der militanten Neonazi-Partei Der Dritte Weg und ihrer Jugendorganisation, der Nationalrevolutionären Jugend (NRJ), regelmäßig im Sportkomplex Rennbahnstraße im Ortsteil Weißensee.

Angeboten wird das Training vom Sportverein TSC Preußen 97. Der jetzige Nutzungsvertrag für eine Halle wurde dabei 2022 von der damaligen Bezirksstadträtin Dominique Krössin (Linke) bis 2027 verlängert. Wofür rechtsextreme Gruppierungen trainieren, die schon mehrfach durch Gewalttaten aufgefallen sind, sollte kein Geheimnis sein. Warum also lässt man sie die Sportanlagen weiter nutzen?

Genau darum ging es auch den Demonstrierenden. Der Bezirk, so die Forderung, müsse den Nutzungsvertrag umgehend beenden. Aufgerufen wurde dann auch zu einer „kritischen Begleitung“ der BVV-Sitzung, bei der ein Antrag der Linksfraktion auf der Tagesordnung stand, mit dem Neonazi-Sportgruppen per Haus- und Nutzungsordnung von Pankower Sportkomplexen verbannt werden sollen. Die Demonstrierenden nahmen als Gäste im Saal Platz.

Angst vor blindem Aktionismus

Die Linken-Verordnete Jaana Stiller verwies bei der Gelegenheit auf die Dringlichkeit der Situation. Mit Blick auf den Schutz vor Hass und Menschenfeindlichkeit müsse das Bezirksamt endlich handeln. Vereine und Personal müssten geschult und ein Austausch zwischen Bezirksamt und den jeweiligen Vereinen hergestellt werden. Stillers Rede wurde mit lautem Beifall der Gäste bedacht. Es folgte ein Versuch der AfD, diese per Antrag entfernen zu lassen. Der Antrag scheiterte.

Schnell zeichnete sich im weiteren Verlauf der Kern der Diskussion ab. Denn im Grunde waren sich die demokratischen Parteien einig: Nazis haben in öffentlichen Sporthallen nichts zu suchen. Aber wie genau das umgesetzt werden soll, darüber wurde nun hitzig diskutiert.

Der zuständige Bezirksstadtrat Jörn Pasternack (CDU) zeigte sich verwundert. Schließlich sei die Haus- und Nutzungsordnung längst angepasst worden. Um wirklich etwas tun zu können, fehlten die rechtlichen Grundlagen, so Pasternack. Blinder Aktionismus würde zu peinlichem Zurückrudern führen. Zudem könne von „Hallen“ nicht die Rede sein – den Rechtsextremen stehe lediglich ein Raum von 19 Quadratmetern zur Verfügung.

Zwischen Dringlichkeit und Ohnmacht

In der Folge zerfaserte die Diskussion. Ein Änderungsantrag der Grünen-Fraktion, der darauf zielte, Personen den Eintritt zu Sportanlagen zu verbieten, die öffentlich verfassungsfeindliche Symbole zeigen, stieß auf wenig Begeisterung. Der Linken-Verordnete Maximilian Schirmer etwa hielt dagegen, dass das gegen Anhänger des Dritten Wegs und der NRJ nicht hilft – deren Parteikleidung ist nun mal nicht verboten.

Ihn störe vor allem die Untätigkeit des Bezirksamts, sagte Schirmer, zugleich Landesvorsitzender der Linken. Man diskutiere seit zwei Jahren über das Thema – und dennoch bleibt das Problem bestehen. Man erteile dem Bezirksamt mit dem Antrag einen politischen Auftrag, sich um dieses Problem in allen Sportanlagen zu kümmern. Dafür gebe man dem Amt Rückendeckung, Dinge auszuprobieren.

Denise Bittner von der CDU verurteilte zwar das „muskuläre Aufmunitionieren“ der Neonazis in öffentlichen Räumen, betonte aber die unbedingte Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage. Wie hitzig die Debatte zu diesem Zeitpunkt war, macht schlussendlich die Grünen-Verordnete Almuth Tharan deutlich: Eigentlich wollte ihre Fraktion für den Antrag stimmen, aber aufgrund des Tonfalls der Diskussion werde man das nun nicht mehr tun.

Die AfD blieb derweil bei ihrem altbewährten Rezept: Sie provozierte den Vorsitzenden, die Gäste und alle anderen Parteien und gab sich dennoch als Opfer.

Wie zur Versöhnung bemerkte Marc Lenkeit von der SPD, dass es ja abseits der Hausordnung noch weitere Mittel gegen die rechtsextremen Sportler gebe; das Hausrecht etwa oder eine frühzeitige Kündigung des Vertrags. Das würde sowieso in zukünftigen Sitzungen besprochen. Schließlich wurde der Antrag mit 22 Ja-Stimmen aus den Reihen der Linken, der SPD und dann doch wieder der Grünen angenommen. Aber was das im Detail heißt, werde in zukünftigen Versammlungen besprochen.

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