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: „Pflanzen sind nicht nur zu verwertende Objekte“

Zwischen Tanz und Botanik: Die Performance „Der Kongress der Pflanzen“

Interview Fanny Schuster

taz: Frau Cohn, wie tanzt man einen Farn?

Dominika Cohn: Es geht nicht darum, den Farn zu tanzen, sondern die Spezifika der Pflanze auf die Bühne zu bringen und in ihrer Unterschiedlichkeit zu performen. Im Fokus steht das Hinterfragen des Zusammenseins von Mensch und Pflanze. Was hätte der Farn uns zu sagen, wenn er sprechen könnte?

taz: Wie findet man das denn heraus?

Cohn: Das ist die große Frage und Kern der Recherche. Da gibt es unterschiedliche Ansätze, sich einer Antwort anzunähern. Die Tän­ze­r*in­nen haben im ersten Probenblock gegärtnert, der Choreograf hat Interviews, etwa mit einer Schamanen und einem Waldbiologen, geführt und ich habe posthumanistischen Input geliefert.

taz: Was geben die für Antworten?

Cohn: Natürlich haben sie unterschiedliche Herangehensweisen und vor allem eine andere Sprache. Die Schamanin spricht von Energien und Karma, der Biologe bezieht sich auf die Naturwissenschaften. Aber die Schlüsse, die sie ziehen, sind ähnlich.

Performance „Der Kongress der Pflanzen“: Di, 17. 9., bis Do, 19. 9., 19 Uhr, Braunschweig, Theater Fadenschein; 24. 10. bis 26. 10., 19.30 Uhr, Theaterhaus Hildesheim; 7. 11. bis 9. 11., 19.30 Uhr, Werkraum Göttingen; 14. 11. bis 16. 11., Pavillon Hannover; Infos: yetcompany.de

taz: Und zwar?

Cohn: Es geht weniger darum, Stimmen eins zu eins zu übersetzen. Wir möchten sensibilisieren, dass Pflanzen nicht nur auszubeutende und zu verwertende Objekte sind. Mit der Performance schaffen wir einen zarten, zuweilen auch frappierenden, poetischen Raum, eine fiktive Welt, die die Menschen im Publikum veranlasst, weiterzudenken. Wir sind keine politische Zusammenkunft, aber das Stück lässt sich sehr politisch lesen.

taz: Sind die Tanzenden so etwas wie Dolmetscher*innen?

Cohn: In einem posthumanen Sinne sind sie es; auf eine verkörpernde und spürende Weise. Der Tanz als Ausdrucksform bietet sich für diese Annäherung jenseits des sprachlichen Verstandes an. Aber das Sein der Pflanzen, auch wenn man es als Sprachlichkeit verstehen möchte, driftet sehr weit auseinander. Mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, wollen wir dem Publikum etwas nahebringen.

taz: Liegt das Problem nur beim Menschen oder gibt es auch Probleme zwischen Pflanzen?

Foto: YET Company

Dominika Cohnist Tanzwissenschaftlerin, Choreografin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medien, Theater und Populäre Kultur der Universität Hildesheim. 2010 gründete sie mit Fabian Cohn die YET Company für zeitgenössische Tanzproduktionen.

Cohn: Natürlich gibt es Probleme zwischen Pflanzen. Invasive Pflanzen können sich entweder klimawandelbedingt breitmachen oder wurden eingeschleppt und zerstören andere Arten. Aber fast alle Probleme sind menschlichen Ursprungs.

taz:­ Hilft es denn, wenn ich am Morgen nach dem Stück auf dem Weg zur Arbeit eine sterbende Pflanze gieße?

Cohn: Ja, vielleicht schon, wir versuchen Hoffnung mitzugeben und nicht das Publikum zu frustrieren. Sicher ist es toll, wenn man sich danach weitreichende Gedanken macht – sich vielleicht sogar mit dem Rechtsstatus der Pflanzen beschäftigt –, aber es wäre ein erster Schritt, wenn man z. B. die Pflanzen auf dem Arbeitsweg ein kleines bisschen mehr wahrnimmt, wertschätzt und vielleicht auch Sorge trägt.