ZUKUNFT DER BAHN: PRIVATISIERUNG FÜLLT DIE ZÜGE
: Nur das Netz ist nichts für Aktionäre

Bahnchef Hartmut Mehdorn kann sich auf eine opulente Abfindung freuen: Nach dem absehbaren Abgang seines größten Fans, Kanzler Gerhard Schröder, wird auch er seinen Fünfjahresvertrag bei der DB nicht mehr abarbeiten. Mit ihm untergehen wird das Credo, dass das Schienennetz allein der Bahn gehören darf. Die FDP hat jetzt angekündigt, sie wolle nach einem Wahlsieg Netz und Betrieb trennen. Auch einige CDUler, die Grünen und Verbraucherschützer vertreten diese Position. Nur die Sozis und die Eisenbahnergewerkschaft Transnet wollen weiterhin die Untrennbarkeit. Für den Abwehrkampf wird das nicht reichen.

Und das ist gut so. Die Liberalisierung der Telefonnetze hat gezeigt: Mehr Wettbewerb bringt mehr Betrieb und niedrigere Preise. Das darf allerdings nicht bedeuten, dass auch das Schienennetz privatisiert wird, wie es möglicherweise die FDP anstrebt. Die Erfahrungen in Großbritannien sprechen dagegen: Der Versuch, den Aktionären eine schnelle Rendite zu bieten, hat zu fatalen Sicherheitsmängeln geführt. Bahnreisende und -beschäftigte mussten dafür mit dem Leben bezahlen. So wie das Autobahnnetz dem Staat gehört und er sich einen Teil der Kosten über Mautgebühren zurückholt, sollte es auch bei der Schiene funktionieren. Der Staat braucht dabei nicht selbst die Verwaltung der Trassen zu übernehmen. Beamte sind für eine Marktorientierung ebenso wenig geeignet wie Politiker, die sich mit einem spektakulären Bahnhofsbau am Hochgeschwindigkeitsgleis schmücken wollen. Sinnvolle Investitionen sind dagegen zu erwarten, wenn mehrere, im Wettbewerb stehende Bahntransportunternehmen gemeinsam entscheiden, wo das knappe Geld verbuddelt wird. Das Ergebnis wäre mit Sicherheit keine einzige neue ICE-Strecke – dafür aber unspektakuläre Lückenschlüsse und Ausweichgleise.

Je mehr die Schienen genutzt werden, desto günstiger der Preis für die einzelne Strecke. Das dürfte auch die Position der Züge gegenüber dem Lkw verbessern. Diese Chance sollte der Republik die teure Abfindung für Hartmut Mehdorn wert sein. ANNETTE JENSEN