orte des wissens: Eine Daten-Krake, die Wasser liebt und Gutes tut
Das Citizen-Science-Projekt „BlueDot“ soll eine Forschungslücke schließen: Es registriert mithilfe von Hobby-Taucher*innen die Schwankungen der Meerestemperatur an Küsten
Rebecca Zitoun und Christophe Galerne tauchen beide in ihrer Freizeit. Zitoun forscht am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, Galerne am Zentrum für Marine Umweltwissenschaften in Bremen, dem Marum. Die Idee für ihr Projekt „BlueDot“ kam ihnen auf einer gemeinsamen Reise auf dem Forschungsschiff „Sonne“. Ab Dezember dieses Jahres wollen sie nun Daten über die Temperatur des Mittelmeeres sammeln – mithilfe von Hobbytaucher*innen.
Für ihre Forschung greifen sie auf die Daten von Tauchcomputern zurück, die diese zur Sicherheit bei sich haben, erklärt Zitoun. Er misst Tiefe und Zeit, damit klar ist, wie viel Sauerstoff noch bleibt und bei wie viel Metern eine Pause beim Auftauchen aus der Tiefe eingelegt werden muss.
Auch die Temperatur messen die Geräte – die Daten sind also ohnehin schon da. Und das seit 20, 30 Jahren, sagt Zitoun. Denn die meisten Taucher*innen laden ihre Daten auf Webportale hoch. „Unser Projekt wird auf diese historischen Daten zugreifen und neue Daten sammeln, um zu analysieren, was über einen Zeitraum von 20 Jahren mit den Wassertemperaturen im Mittelmeer geschehen ist und wie sich der Trend in Zukunft entwickeln könnte.“
Die Forscher*innen wollen so eine Überwachungslücke schließen: Denn Daten über die Meerestemperatur aus Küstenregionen sind rar. Die normalen Floater, so nennt Zitoun die größeren Forschungsgeräte der Meere, kommen nicht so nah an die Küste. Die neuen Daten können also Grundlage für bessere Klimamodelle sein. Das ist besonders für Gemeinden im Küstenbereich wichtig: Je besser die Klimamodelle, desto besser die Risikobewertung – und die Anpassung.
Was bisher über die Temperatur des Mittelmeers bekannt ist: Sie steigt; die Oberflächentemperatur lag im Frühsommer deutlich über den Werten des Vorjahres. Das ist nicht nur ein Indiz für die Klimaerwärmung, sondern auch für sich ein Problem: „Wärmeres Wasser kann weniger Gase aufnehmen, hat also weniger Sauerstoff“, erklärt Zitoun. „Organismen sterben.“ Gut zu sehen ist das am Korallensterben. Andererseits kann das Wasser weniger Kohlenstoff speichern. „Es ist ein Feedback-Mechanismus.“
Technisch funktioniert das neue Projekt so: Die Forscher*innen fixieren Sensoren an verschiedenen Orten an der Küste. Schwimmen Taucher*innen in einer gewissen Reichweite vorbei, können sie ihren Computer kalibrieren – das heißt, ihre Daten werden optimiert und dadurch genauer und für die Wissenschaft nutzbar. Das soll ganz automatisch passieren. Nach dem Tauchgang können die Daten auf ein Portal hochgeladen werden, wo sie von den Wissenschaftler*innen verarbeitet werden.
Die Technik ist kostengünstig – zumindest im Vergleich zu den bis zu 200.000 Euro teuren Floatern, die Forschende bislang einsetzen. Das Budget des Projekts: 140.000 Euro, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung Geomar und Marum zur Verfügung stellt, dazu 90.000 Euro für den Projektpartner, der sich um die industrielle Fertigung der Geräte kümmert.
Laut Zitoun ist das Projekt nicht das erste seiner Art. Aber etwas ist diesmal anders: „Wir wollen Protokolle entwickeln, die global genutzt werden können. Die Sensoren, der Code, die App – alle Daten werden frei sein, sodass jeder sie benutzen kann.“ Bislang müssten Forschende immer wieder die gleichen Sachen neu erfinden, die gleichen Fehler immer wieder machen. Derzeit laufen die letzten Tests, Kontakte zur Tauchstationen werden geknüpft, sodass möglichst viele Menschen mitmachen. Ab Dezember tauchen dann 18 Monate lang Laien für die Wissenschaft. Alina Götz
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