Sachsens Schulen wehren sich

Lehrer streiken und verhandeln mit sächsischer Regierung, um 7.500 Stellen zu retten

DRESDEN taz ■ Für die sächsischen Mittelschüler und Gymnasiasten war es ein zusätzlicher Ferientag. Nahezu in ganz Sachsen streikten am Dienstag rund 20.000 Lehrer. Anstatt in den Schulen herrschte reges Treiben auf den Kundgebungsplätzen in mehreren Städten. Lehrer, Eltern und Schüler demonstrierten gleichermaßen gegen den von der CDU-SPD-Koaltion gemeinsam verabschiedeten Haushaltsplan – 7.500 Lehrerstellen sollen gestrichen werden.

Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Lehrerverbände riefen zum Streik auf, weil gestern die Tarifverhandlungen mit der Staatsregierung in eine entscheidende Runde gingen. Ein Ergebnis der Verhandlungen wurde gestern in den späten Abendstunden erwartet. Auf den Straßen am Tag zuvor richtet sich der Zorn vor allem gegen den Kultusminister Steffen Flath. „Herr Flath, sie benehmen sich unflät(h)ig“, machten auf einem Plakat Dresdner Demonstranten ihrem Unmut Luft.

Die Regierung plant, fast jede vierte Lehrerstelle zu streichen. Um Kündigungen zu vermeiden, soll in Mittelschulen und Gymnasien wie zuvor an den Grundschulen eine Teilzeitvereinbarung abgeschlossen werden. Bis auf 62 Prozent sollen Arbeitszeit und Einkommen gesenkt werden. „Nicht unter 80 Prozent“, hat die GEW-Landesvorsitzende Sabine Gerold eine Leitzahl für die gestrigen Verhandlungen ausgegeben.

Lehrer, Schüler und Eltern befürchten ansonsten eine Demotivation als „Halbtagskraft“ und warnen vor einem weiteren Imageverlust. Die Lehrer wissen nach den Erfahrungen mit der Grundschulteilzeit auch, dass sie bei deutlich geringerem Einkommen trotzdem länger arbeiten müssen. Kultusminister Flath drohte indessen mit ersten Kündigungen noch in dieser Woche, sollten die Gewerkschaften nicht auf die Vorschläge der Staatsregierung eingehen.

Parallel dazu steht die Schulnetzplanung zur Entscheidung an. Über die 2002 eigentlich abgeschlossene Planung hinaus will das Kultusministerium beispielsweise jede dritte der verbliebenen 150 Mittelschulen schließen. Hier hat die SPD am Dienstag in einer ganztägigen Sitzung des Koalitionsausschusses zumindest einen Teilerfolg erreicht: Abweichungen von den starren gesetzlichen Mindestschulgrößen sollen zumindest im grenznahen und im ländlichen Raum sowie im Siedlungsgebiet der sorbischen Minderheit zugelassen werden.

Der Dortmunder Erziehungswissenschaftler Ernst Rösner, Vater des Begriffes „Gemeinschaftsschule“, sieht angesichts des Problemdrucks das starr gegliederte sächsische Schulsystem an seinen Grenzen angelangt. Aber auch seitens der CDU-Kommunalvertreter regt sich heftiger Widerstand gegen die Parteilinie. Renate Naumann beispielsweise, Bürgermeisterin im mittelsächsischen Wechselburg, setzt sich vehement für das von der SPD, der Opposition und der GEW favorisierte Projekt der Gemeinschaftsschule mit einer gemeinsamen achtjährigen Schulzeit ein, das ihre Mittelschule retten würde. „Außergewöhnliche Situationen erfordern flexible Lösungen“, sagte sie.

MICHAEL BARTSCH