Lilly Schröder über Rap-Workshops an Schulen
: Die Beats von Berlin

Die Bässe dröhnen, durch das Klassenzimmer schallt ukrainischer, serbischer, türkischer und kamerunischer Rap. „Wartet auf den Drop!“, ruft Herr Azizi, der hinter dem Lehrertisch tanzt. Die Kinder wippen im Takt, ihre Augen leuchten, wenn Rap aus ihrem Herkunftsland ertönt.

Es ist Mittwochmorgen in der Willkommensklasse der Kolumbus-Grundschule in Reinickendorf. Auf Holzstühlen sitzen etwa 12 Kinder zwischen 7 und 12 Jahren und verputzen die letzten Reste Nutellabrot und Fischstäbchen aus ihren Brotdosen. „Seid ihr hier geboren?“, fragt Herr Azizi. Kopfschütteln. „Ich auch nicht“, sagt er ermutigend. „Ist nicht schlimm!“

Aras Azizi (Name von der Redaktion geändert) ist Rapper und Teil des Teams von Kanzi, einem sozialen Start-up aus Berlin, das Rapmusik mit Sprachen lernen verbindet. „Es ist mir egal, ob die Deutsch verstehen“, sagt der Sozialpädagoge. „Mir ist wichtig, dass sie sich menschlich verstehen.“

Kanzi bietet seit 2019 bundesweit Rap-Workshops von Rap­pe­r*in­nen an Schulen an. Das Ziel: junge Menschen empowern und sprachliche, soziale und kulturelle Barrieren abbauen. Angeboten werden die Workshops neben Willkommensklassen auch in Regelklassen in Grundschulen oder Gymnasien, in Jugendeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften. Gefördert wird das Start-up unter anderem von der Landeszentrale für politische Bildung.

„In drei Wochen wollen wir einen fertigen Rap-Text geschrieben haben“, sagt Azizi. Am Mittwochmorgen werden die Grundsteine gelegt. „Was braucht man für einen Rap?“, fragt er und macht gleich den Anfang: „Text, Tempo, Reime.“ Einige scheinen ihnen zu verstehen, viele nicht. Immer wieder fliegen türkische oder ukrainische Wortfetzen durch den Raum.

„Die Klasse wurde erst Anfang dieses Schuljahres neu zusammengewürfelt“, erzählt die Klassenlehrerin, Frau Nasretdinova. Einige sprechen noch kein Wort Deutsch, andere verstehen schon das meiste. „Ich konnte auch kein Deutsch, als ich nach Deutschland kam“, erzählt der in Iran geborene kurdische Rapper den Kindern. „Aber das ist egal, Musik kennt keine Nationalität.“ Deshalb sei das sprachlastige Musikgenre eine gute Möglichkeit, um Sprachbarrieren abzubauen und interkulturellen Austausch zu fördern.

Ein Schwerpunkt ist daher auch die Sensibilisierung für interkulturelle Vielfalt sowie die Vermittlung von Werten. Dazu bringt Azizi den Kids zunächst Begriffe wie Toleranz und Respekt näher. „Ich respektiere dich, weil du ein Mensch bist, egal ob aus Nordirak oder Serbien“, erklärt er einem Mädchen aus Serbien. „Diskriminierung – kennt ihr das?“, fragt er. Erneutes Kopfschütteln. „Vielleicht habt ihr es schon erfahren, kanntet aber den Begriff nicht“, sagt er, ihnen ihre kindliche Scheu nehmend.

Normalerweise arbeite er mit 3. Klässler*in­nen, denen er gruppenweise Begriffe wie Toleranz oder Rassismus zuteilt. Anschließend schreiben die Kinder Zeilen dazu, die dann zu einem Rap zusammengefügt werden. Zum Eingrooven wird den Kids Rap aus ihren Herkunftsregionen vorgespielt. Sie bewegen sich zum Beat, kritzeln eifrig ihre Texte aufs Papier und stürmen kurze Zeit später singend und tanzend in die Pause, wo ein Kuchenbasar auf sie wartet.