Martin KraussÜber Ball und die Welt
: Wie man sich nach Vorstellung der AfD bei Nagelsmann einkauft

Die Truppe, die gerne eine Alternative für dieses Land wäre, beherrscht die deutsche Sprache schon mal nicht. „Teilnahme von Mitgliedern der Bundesregierung an den Spielen der Fußballeuropameisterschaft in Deutschland“ ist eine aktuelle „Kleine Anfrage“ der AfD an die Bundesregierung betitelt. Es wird also die Vermutung formuliert, Minister oder Staatssekretäre seien in Julian Nagelsmanns EM-Kader berufen worden.

Aber man weiß doch, was gemeint ist, könnte man ausrufen. Ja, gewiss, das weiß man bei der AfD immer, zumindest ahnt man es. Was sie in diesem konkreten Fall will, ist Unmut darüber zu entfachen, dass Teile des Bundeskabinetts sich im Juni und Juli EM-Spiele angeschaut haben, ja, eventuell sogar „während des Spiels gastronomisch versorgt“ (AfD-Anfrage) wurden. Damit dieser eher banale Vorgang möglichst empörend klingt, ­schreiben die Leute nicht vom Anschauen einer Fußballpartie, sondern von der „Teilnahme an den Spielen“.

Die Bundesregierung ist verpflichtet, auch solche Fragen zu beantworten. „Aufgabenbedingt pflegen Mitglieder der Bundesregierung, Parlamentarische Staatssekretärinnen bzw. Parlamentarische Staatssekretäre, Staatssekretärinnen bzw. Staatssekretäre der Bundesministerien Kontakte mit einer Vielzahl von Akteuren“, heißt es, und tatsächlich werden in der Anlage zur Antwort die Gesprächstermine aufgelistet, die entlang der EM-Spiele wahrgenommen wurden.

Das ist eine lange Liste, bloß: Sie erklärt nichts. Beim Spiel Slowenien-Serbien (1:1) am 20. Juni in München beispielsweise war Außenministerin Baerbock mit einem Mitarbeiter anwesend. Es sind nur solche wertlosen Informationen, die die Frager der AfD zu Tage gefördert haben, angeregt übrigens durch einen Bericht der Bild-Zeitung. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth, bekam etwa einen Miniball „Adidas Fußballliebe“ im Wert von 15 Euro überreicht, den sie „weiter verschenkt“ hat, so die Antwort der Bundesregierung.

Die Anfrage verrät, welche Vorstellung Rechtsextremisten von Politik haben. Ich gebe ja zu, dass auch ich nicht vermute, die AfD-Leute glaubten, Karl Lauterbach habe bei Nagelsmanns Team im Tor gestanden, auch wenn beim AfD-Versuch, einen geraden deutschen Satz zu formulieren, das herauskam. Die Sprachschwäche jedoch ist keine Dummheit, sondern offenbart die Überzeugung in diesen Kreisen, Politik funktioniere so, dass sich das dortige Personal alles in die eigenen Taschen schaufelt: Fußballtickets, Lachshäppchen, Dienstreisen und wenn sie wollten, würde sich diese Leute noch selbst einwechseln. Die CDU/CSU-Fraktion hat übrigens drei Wochen nach der AfD eine ähnliche „Kleine Anfrage“, bezüglich Karl Lauterbach formuliert.

Nun ist es ja schon so, dass es das Phänomen von politischem Personal, das mittels fußballerischen, na ja, Fähigkeiten gerne punkten würde, gibt. Tschetscheniens Diktator Ramsan Kadyrow beispielsweise hatte 2011 Stars wie Lothar Matthäus oder Romario verpflichtet, um mit ihnen in einem rappelvollem Stadion zu kicken. Oder Diktatorensohn Al-Saadi al-Gaddafi aus Libyen kaufte sich gar in die italienische Serie A ein, um eine Viertelstunde für den AC Perugia zu spielen.

Solche Fälle gibt es. Aber funktioniert Politik so? Nein, es ist nur so, dass gerade Leute von rechts in der politischen Arena unterwegs sind, die glauben, sie hätten mit diesen lächerlichen Selbstinszenierungen das Bewegungsgesetz der Politik begriffen und könnten es für sich nutzen und anderen vorwerfen. Das Ärgerliche daran: Sie glauben fest daran und machen immer weiter. Das Schöne daran: Wer so denkt, scheitert. Auch das lehrt der Fußball.