Ganz jung und ohne Wohnung

Wohnungslosigkeit trifft auch viele junge Menschen. Das geht aus einem neuen Bericht der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe BAG W hervor

Obdachlos in der Nähe des Berliner Bahnhofs Zoo Foto: Schoening/picture alliance

Von Jasmin Kalarickal

Die Wohnung zu verlieren, ist für Menschen existenziell. Dennoch gehört es zum Alltag in Deutschland – und es trifft auch die besonders vulnerable Gruppe junger Menschen. Das geht aus dem am Montag veröffentlichten Bericht der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe BAG W hervor. Ausgewertet wurden anonymisierte Daten von 38.200 Menschen, die im Jahr 2022 in 227 Einrichtungen und Diensten freier Träger Hilfe suchten. Rund zwei Drittel der sogenannten Kli­en­t*in­nen (71,2 Prozent) waren männlich, ein Drittel (28,8 Prozent) weiblich. Männer sind deutlich stärker von Wohnungslosigkeit betroffen als Frauen.

Im neuen Bericht stand diesmal insbesondere die Wohnsituation junger Menschen im Fokus. 16,3 Prozent aller Hilfesuchenden waren im Jahr 2022 unter 25 Jahre alt. Dramatisch ist: Fast 13 Prozent der jungen Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren, die akut wohnungslos waren, haben eine Nacht auf der Straße verbracht, bevor sie Hilfe suchten. Bei den Minderjährigen waren es sogar 16 Prozent. Laut Bericht verschlechtert sich die Situation seit den 1990er Jahren für diese Altersgruppe „relativ kontinuierlich“. Seit den 2000er Jahren schwankt der Anteil der unter 25-Jährigen zwischen 16 und 20 Prozent.

Wohnungslosigkeit, das ist ein gängiges Missverständnis, heißt nicht zwingend, dass Menschen auf der Straße leben. Schlafen sie tatsächlich draußen, wird in aller Regel von Obdachlosigkeit gesprochen. „Jeder zweite wohnungslose junge Mensch kommt bei mehr oder weniger guten Freun­d:in­nen oder Bekannten unter“, erklärte Sarah Lotties, BAG-W-Fachreferentin für Statistik und Dokumentation. Das sei aber nicht so harmlos, wie es vielleicht klinge. „Nicht selten ergeben sich daraus gefährliche Abhängigkeitsverhältnisse, beispielsweise, wenn die Unterkunft nur im Gegenzug für sexuelle Gefälligkeiten bereitgestellt wird“, sagte Lotties. Die Not dieser wohnungslosen jungen Menschen sei „nicht auf den Straßen sichtbar, aber sie ist genauso schwerwiegend“.

Was bei jungen Menschen zudem auffällt: Betrachtet man Frauen und Männer separat, besteht ein deutlicher Geschlechterunterschied. So war laut Bericht jede vierte hilfesuchende Klientin jünger als 25 Jahre. Bei den männlichen wohnungslosen Klienten war es jeder sechste. Im Bericht heißt es, damit habe sich der Trend der „Überrepräsentation junger weiblicher Klien­tinnen in Wohnungsnot und akuter Wohnungslosigkeit weiter verfestigt.“ Es könne sein, dass junge Frauen „frühzeitiger das Elternhaus verlassen“ oder sich früher Hilfe suchten, heißt es als mögliche Erklärung. Zudem könne der Umstand eine Rolle spielen, „dass junge Frauen häufiger als Männer von Gewalt und Missbrauch betroffen sind“.

Während Menschen über 25 Jahre meist wegen Miet- und Energieschulden ihre Wohnung verlieren, ziehen bei den unter 25-Jährigen 39,2 Prozent ohne eine vorausgegangene Kündigung aus, oft aus der elterlichen Wohnung. Häufig angegeben werden auch Konflikte im Wohnumfeld.

Fast 13 Prozent der jungen Menschen haben eine Nacht auf der Straße verbracht, bevor Hilfe kam

Auch die Bildungsbiografien scheinen eine große Rolle zu spielen. 28 Prozent der im Bericht aufgeführten unter 25-Jährigen hatte keinen Schulabschluss. In der Gesamtbevölkerung liegt der entsprechende Anteil bei 5 Prozent.

Um jungen Menschen künftig besser helfen zu können, braucht es laut BAG W eine „klare Zuständigkeits- und Finanzierungsstruktur“ – insbesondere an den Schnittstellen zwischen Jugendhilfe und Sozialhilfe. Angebote müssten auf die „individuellen Bedürfnisse zugeschnitten werden“, sagte Susanne Hahmann, Vorsitzende der BAG W. Es brauche aber auch „mehr bezahlbaren Wohnraum“.