Links und links gesellt sich ungern

Westdeutsche SPD-Abweichler und ostdeutsche PDSler kennen sich schon recht gut – und haben weniger gemeinsam, als Oskar Lafontaine denkt

VON ROBIN ALEXANDER

Seit Neuwahlen angekündigt sind, wird bei der Linken am ganz großen Rad gedreht. Oskar Lafontaine will an die Spitze einer neuen Partei aus WASG und PDS. Gregor Gysi hingegen möchte mit WASG und Lafontaine auf einer „offenen“ Liste seiner PDS in den Bundestag ziehen. Und Parteichef Lothar Bisky schließlich träumt von einer kompletten Neuorganisierung der Linken – allerdings erst nach der Bundestagswahl.

Bisher konnte man sich allerdings noch nicht einmal auf einen Termin für ein Treffen einigen: Die Spitzen der Wahlalternative wären gerne schon Montag nach Berlin gefahren. Doch Gysi muss noch einen Gesundheitscheck absolvieren. Und ob Lafontaine sich zum Gespräch über organisatorische Fragen herablässt, weiß sowieso niemand.

Die zweite Reihe von PDS und WASG prallte allerdings schon Dienstagabend aufeinander: Sie kreuzten auf einer Veranstaltung der PDS-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung („Wie weiter nach der NRW-Wahl?“) die Klingen. Rasch wurde deutlich: Die Wahlalternative will durch einen Einzug in den Bundestag Schwarz-Gelb unmöglich machen, stünde aber nicht als Mehrheitsbeschafferin für Rot-Grün zu Verfügung. Die logisch folgende große Koalition will man vor allem außerparlamentarisch bekämpfen. Der alte westdeutsche Traum vom neuen 1968. Damit hat die PDS jedoch nichts am Hut. Sie will zurück in den Bundestag und dort parlamentarisch alternative Politik durchsetzen: im Idealfall in einer Koalition mit der SPD.

PDS plus WASG gleich über 5 Prozent. Wer die Fußtruppen kennt, ist da skeptisch. Katina Schubert, 41-jährige PDS-Politikerin aus Bonn, kennt die meisten WASG-Leute in ihrer Heimatstadt sogar mit Vornamen: „Die Hälfte von denen war ja bis zum vergangenen Jahr noch bei uns engagiert.“ Der Wechsel zur WASG geschah am Rhein nicht wegen Hartz IV, sondern aus Protest gegen das ferne Berliner Rathaus: dort koalieren SPD und PDS.

Schubert fasst die Unterschiede knapp zusammen: „Die PDS hat einen gnadenlosen Realismus. Die WASG nicht.“ In einem anstrengenden Prozess hat die West-PDS all die Sektierer und Möchtegern-Lenins ausgeschwitzt, die seit einem halben Jahr erfolgreich die WASG unterwandern. Selbst Gysi, der seinen Genossen im Westen die Anmutung einer „ausländischen Partei“ bescheinigt, fürchtet, sich mit der WASG neue alte Nervensägen ins Haus zu holen: „Den klassischen Fehler der Linken haben sie schon gemacht. Ewig diskutiert, alle Debatten geführt. Und den hunderttausenden, die auf sie warten, so nur gezeigt, dass sie sich wichtiger nehmen als die Probleme der Leute.“

Das Konzept der offenen Liste stammt aus den Nachwende-Jahren. Westdeutsche kulturelle Muster sollten so rasch in die gewendete ostdeutsche Staatspartei implantiert werden. Das hat nur in Berlin funktioniert: Hier stammen zwei von drei PDS-Senatoren aus der Bundesrepublik. Doch gerade die wenigen Westdeutschen, die in der PDS Karriere gemacht haben, zweifeln an der Strategie. Bodo Ramelow etwa – einst Bremer Gewerkschafter, heute Fraktionschef in Thüringen – glaubt nicht, dass die PDS eine Basis im Westen per Handstreich gewinnen kann: „Ich werde nicht mit einem großen Schmetterlingsnetz durch die Gegend laufen, um bunte Falter einzufangen.“

Er will die Wessis nicht mit Wessis, sondern mit vermeintlichen DDR-Errungenschaften wie Einheitsschule und Ganztagskinderbetreuung beeindrucken. Andere in der PDS wollen den West-Durchbruch gar mit Ossis schaffen: „Zwei Millionen Ostdeutsche leben mittlerweile in den alten Bundesländern: Das ist unsere natürliche Zielgruppe“, sagt die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch. Heute leben von 70.000 PDS-Mitgliedern ganze 5.000 im Westen. Mehr hat die WASG auch nicht – bundesweit.

Auch die PDSler, die ihre Partei jünger, weiblicher und antiautoritärer wollen, fürchten die WASG, deren Mitgliedschaft sie für männlich, alt und strukturkonservativ halten. Die Bundestagsabgeordnete Petra Pau bezweifelt sogar, „dass die Wahlalternative links ist“.

Lafontaine als Person ist natürlich attraktiv – für Gysi, der ständig auf der Suche nach Partnern in seiner politischen Gewichtsklasse ist. In der Partei hingegen lehnen viele seinen Plan eines neuen Linksbündnisses ab: „Nur weil Lafontaine seine alte Rivalität ausleben möchte, können wir doch nicht unsere PDS zur Disposition stellen“, meint Lötzsch.