Ambros Waibel
Der Wochenendkrimi
: Wenn britische Polizisten sich wie Gestapoleute anhören

Führer war alles besser, ist als Kalauer seit mindestens tausend Jahren verboten – eigentlich. Aber wo kein Kläger, da kein Richter – anders gesagt: Unerwünschtes Verhalten lässt sich nur abstellen, wenn es auch Kontrollen und Sanktionen gibt.

In den Berliner Innenstadtbezirken etwa – um mal einen ganz weiten assoziativen Bogen zu schlagen –, auf die sich meine Alltagserfahrung beschränkt, hat die Polizei die Überwachung des öffentlichen Raums seit geraumer Zeit eingestellt. Gewiss, ab und an zieht eine doppelbesetzte Fahrradstreife an einem vorbei und kontrolliert, ob das Kind auch nicht zu alt ist, um noch auf dem Gehweg mit dem Rad unterwegs sein zu dürfen. Das Desaster, das auf den nebenliegenden Straßen seinen irren Lauf nimmt, die aggressiv zelebrierte Regelübertretung in Permanenz von Au­to­fah­re­r:in­nen wird schlicht ignoriert; worunter natürlich nicht zuletzt die Fahrzeugführenden selbst leiden, zumindest diejenigen, die noch ein altmodisches Verhältnis zum Verkehr haben und zum Beispiel beim Abbiegen den Blinker setzen. Es ist, als sei die Polizei in der Hauptstadt wegen all der politischen und politbetrieblichen Überwachungsverpflichtungen in einen – durchaus nachvollziehbaren – Streik getreten, was die Regelung banaler, aber existenzieller Vorgänge betrifft. Und nun gilt eben im Verkehr, wie sonst in der Gesellschaft auch, das schlichte Recht des Stärkeren, was – das sei noch mal gesagt – zu Gefahr und Chaos für alle Beteiligten führt.

Es gilt im Verkehr wie in der Gesellschaft das Recht des Stärkeren, was zu Gefahr und Chaos für alle Beteiligten führt

Der Krimipodcast „Kein Mucks!“ mit Bastian Pastewka entführt uns jeden Donnerstag in eine ganz andere Welt, eine, in der noch Regeln gelten und Verstöße unmittelbar verfolgt und hart bestraft werden. Die oft in der globalen Krimimetropole London angesiedelten deutschen Hörstücke aus den 1960er Jahren, die Pastewka mit der Begeisterungsfähigkeit des Nerds vorstellt, beziehen ihren Reiz nicht zuletzt daraus, dass die britischen Beamten alle wie deutsche Gestapoleute reden und die Bürger sofort innerlich strammstehen, wenn ein Inspektor mit schnarrender Stimme auch nur den Raum betritt. Der gefährlich schillernde Glamour des Großstadtlebens konnte dem (west-)deutschen Publikum der Vor-68er-Epoche offensichtlich nur von einer Polizei überwacht zugemutet werden, die sich an (post)faschistischen Ordnungsvorstellungen orientierte.

Ein zweites Phänomen an diesen sehr hochwertig produzierten und ein gutes halbes Jahrhundert alten Hörfunksachen ist, dass gerade Kinder sie lieben; wie eben einstige Erwachsenenbücher wie „Robinson Crusoe“ und „Gullivers Reisen“ zu Kinderklassikern wurden. Das liegt bei den Hörstücken möglicherweise daran, dass sie unmodern erzählt sind, wie Märchen und der ihnen innewohnende Grusel Kinder anzieht, ohne sie zu sehr zu erschrecken.

Und klar – als einer, der in den 70er und 80er Jahren mit SS-Mann „Derrick“ aufgewachsen ist, der global erfolgreichen Krimiserie, geschrieben von Herbert Reinecker, seines Abzeichens Hauptschriftleiter der einstigen HJ-Zeitschrift Junge Welt, kann ich auch selbst mich nur schwer der trüben Faszination dieses Genres entziehen, wie es etwa der wunderbare Dreiteiler „Feuer für eine Zigarette“ aus dem Jahr 1966 ausstrahlt. Spätestens seit den Wahlen in Thüringen und Sachsen wissen wir ja, dass die alten Dämonen immer noch Potenzial bei einem deutschen Publikum haben, das für Ordnung auch den Preis des Massenmords zu zahlen bereit ist.

„Kein Mucks! – Der Krimi-Podcast mit Bastian Pastewka“, ARD-Audiothek, neue Folge jeweils Donnerstag