Ein Türsteher für die Notaufnahme

Kleine Krankenhäuser schließen, es gibt immer weniger Hausärzte. Deshalb strömen Menschen in die Notaufnahme großer Kliniken. Um diesen Ansturm bewältigenzu können, wird in Freiburg jetzt per Algorithmus vorsortiert. Funktioniert das neue System?

Aus Freiburg Sophie Fichtner

Wer in die Notaufnahme will, muss durch eine von zwei silbernen Schiebetüren. So groß, dass ein Pferd hindurchpassen würde. So industriell, dass man dahinter eine Kühlkammer erwartet. Triage 1 und Triage 2 steht in großen schwarzen Buchstaben auf den Kabinen. Es pingt, Nummer 0013 steht auf dem Flachbildschirm. Tür 1 rollt auf und eine Frau lehnt sich heraus: „Ich mache die Ersteinschätzung“, sagt sie mit heller Stimme und bittet die einzige Patientin herein, die um 9 Uhr an diesem Sommermorgen im bereits stickigen Wartezimmer sitzt. Der Frau steckt eine Scherbe im Fuß.

Triage, ein Wort, das Angst auslöst, seit sich in Bergamo zu Beginn der Coronapandemie die Särge stapelten. In den überfüllten Kliniken mussten die Ärz­t:in­nen in der norditalienischen Stadt entscheiden: Wen können wir noch behandeln, wer wird seinem Schicksal überlassen? Felix Hans steht vor den zwei Türen und winkt lachend ab: „Hier geht es nicht darum, wer noch beatmet wird und wer nicht.“ Triage bedeutet in der Notfallmedizin, die Pa­ti­en­t:in­nen systematisch einzustufen.

Hans ist Oberarzt an der Freiburger Universitätsklinik. Zurzeit steht er allerdings weniger am Krankenbett, sondern arbeitet daran, die Patientenströme besser zu lenken. Denn die Notaufnahmen haben ein Problem: Die Anzahl der Pa­ti­en­t:in­nen steigt seit Jahren stetig an. Nicht weil mehr Menschen Unfälle haben, sondern weil kleine Krankenhäuser schließen und es zu wenig Haus­ärz­t:in­nen gibt – gerade auf dem Land. Also drängen die Menschen in die Notaufnahme der großen Kliniken. Wie die in Freiburg. Vor allem die Krankenhausschließungen machen sich hier bemerkbar: Jedes Jahr behandeln sie fast 10 Prozent mehr schwere Fälle. Wenn das so weitergeht, „gehen wir unter“, sagt Hans.

Damit es nicht so weit kommt, wurde die Notaufnahme umgebaut. Der Lino­leum­boden ist zwar noch kranken­haus­grau, das Licht im Warteraum neongrell, aber die Triage-Kabinen sind so in kaum einer anderen Klinik zu finden. Links steht ein Stuhl, daneben liegt ein Fieberthermometer, in der Ecke hängen Kotztüten. Für den Extremfall gibt es einen Defibrillator. Seit Oktober 2023 werden die Pa­ti­en­t:in­nen hier zuerst abgecheckt und es wird entschieden: Ist das wirklich ein Fall für die Notaufnahme? Falls nicht, werden sie in der angegliederten Notdienstpraxis untersucht.

Hans weiß, was es heißt, wenn die Krankenhäuser voll sind. Bis Oktober ist er selbst noch im Helikopter zu Notfällen geflogen. Einmal landete er in Kandern im Schwarzwald bei einer Frau, die eine Treppe heruntergefallen war. Sie hatte schon blaue Flecken um die Augen, ein Zeichen für ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, erinnert er sich. Hans rief erst in Lörrach im Krankenhaus an: alles voll. Dann in Villingen und in Basel, aber in der Schweiz wollen sie keine deutschen Pa­tien­t:innen. In Freiburg lehnten sie ab, weil sie nicht die nächste Klinik waren. Nachdem er eine Stunde herumtelefoniert hatte, machte er eine Zwangsbelegung und flog mit ihr nach Lörrach.

Der 43-Jährige, runde Brille, gescheiteltes braunes Haar, Motorradfahrer, arbeitet seit zehn Jahren in der Notaufnahme in Freiburg. Jetzt will er anhand von Daten herausfinden, wo es klemmt. „Wir wollen keine Fließbandmedizin machen“, sagt er, und eine Wartenummer nach der anderen abhaken. Aber sie wollen wissen, warum die Notaufnahme verstopft. „Kommen am Sonntag um 18 Uhr einfach so viele Patienten? Oder nach einem Fußballspiel, stehen da zwei Stunden später alle besoffen bei uns vor der Tür?“

Er läuft durch die Krankenhausflure und fragt seine Kol­leg:in­nen: „Noch nicht im Urlaub? Die Kleine hat doch jetzt Ferien“, „Wann ist die Abschlussarbeit fertig“ und bietet sein halbes Balisto an. Man nimmt es ihm ab, wenn er sagt: „Ich will für meine Leute sorgen.“ In der Notaufnahme arbeitet man in Schichten, rund um die Uhr. „Die haben ein totes Kind auf dem Arm und sollen sich eine halbe Stunde später wieder um ein Sprunggelenk kümmern.“ Der Druck sei enorm.

Unter Not­fall­me­di­zi­ne­r:in­nen gebe es daher eine hohe Suchterkrankungsrate, sie ließen sich oft scheiden, hätten eine hohe Selbstmordrate, sagt Hans. Und das sei nicht nur ein Freiburger Problem, sondern weltweit so. Also sucht er nach Wegen, sie zu entlasten, auch damit sie an der Uniklinik bleiben.

Durch die vielen Schnup­fen­pa­ti­en­t:in­nen hätten die Ärz­t:in­nen einen weniger freien Kopf für die Schwerkranken – um die es hier eigentlich geht. Hans öffnet die Tür zum Schockraum. Ein Raum, in den man nie geschoben werden will und gleichzeitig dankbar ist, dass es ihn gibt. Es sieht aus wie im Inneren einer Rakete, überall Knöpfe, Schläuche, Displays. Hier werden Menschen wiederbelebt.

Alle Not­fall­pa­ti­en­t:in­nen in Deutschland sollen spätestens nach 10 Minuten ersteingeschätzt werden, das ist die Vorgabe. In der Praxis weicht das in vielen Krankenhäusern ab. Sie messen erst die Zeit, wenn sich die Pa­ti­en­t:in­nen offiziell anmelden. Dass sie vorher schon im Wartezimmer saßen, wird ignoriert. Siebzig Prozent der Pa­ti­en­t:in­nen kommen selbstständig in die Freiburger Notaufnahme, sie ziehen jetzt als Erstes eine Nummer. Dann läuft die Zeit.

0043 steht gegen 12.30 Uhr auf dem ausgedruckten Bon. Der Mittwochvormittag war ruhig, auch während der Mittagspausenzeit kommt kaum jemand. Am Wochenende würden die Wartemarken schon im Hunderterbereich liegen, sagt Carolin Meisel. Sie trägt Mundschutz, Turnschuhe mit federnder Sohle und macht heute die Erst­ein­schätzung in Kabine 1. Bevor sie zur Triage-Pflegekraft weitergebildet wurde, hat sie in der Notaufnahme gearbeitet. Jetzt entscheidet sie, wie dringend eine Behandlung ist.

Per Knopfdruck öffnet Meisel die Schiebetür und ruft 0043 auf, ein junger Mann steht auf. In einer fließenden Bewegung legt sie ihm die Blutdruckmanschette um den Arm, klemmt ein Sauerstoffmessgerät an seinen Finger, steckt das Thermometer ins Ohr und hört gleichzeitig zu. Er ist wegen eines Abszesses am Gesäß da, der aufgeschnitten werden muss, damit der Eiter abfließt. „Beschreiben Sie mir die Größe als Obstkern“, sagt sie. Er schätzt mit den Fingern, zwischen Daumen und Zeigefinger würde ein Aprikosenkern passen. Meisel entscheidet sich für die Notaufnahme. Bei Kirschkerngröße wäre es die Praxis gewesen, sagt sie.

In der linken Bildschirmecke läuft eine Uhr und misst, ob die 10 Minuten eingehalten werden. Durchschnittlich warten Pa­ti­en­t:in­nen gerade 1 Minute und 24 Sekunden, bis sie für die Triage aufgerufen werden. Einschließlich der Ersteinschätzung sind es 5:42 Minuten. Diesmal waren es knapp 4 Minuten. Der Mann verlässt die Kabine. „Der roten Linie nach“, sagt Meisel noch. Auf seinem ausgedruckten Triage-Protokoll steht Stufe 4.

Wer in welche Stufe gehört, legt der international gültige Triage-Algorithmus ESI fest. Carolin Meisel kennt ihn auswendig. Trotzdem hat sie ihn in ein kleines Notizbuch geklebt, das sie in ihrem Kittel bei sich trägt. Das System unterscheidet zwischen fünf Stufen. Eins heißt: sofort Leben retten! Zwei bedeutet, die Person befindet sich in einer Hochrisikosituation und muss in den nächsten 10 Minuten von einer Ärztin gesehen werden. Danach folgt die entscheidende Abstufung, der Wartebereich. Pa­ti­en­t:in­nen ab Level 3 können warten, ohne dass sich ihr Zustand verschlechtert. Stufe 5 ist am wenigsten dringlich und die Menschen landen häufig in der ambulanten Notfallpraxis.

Während der Ersteinschätzung gibt Meisel den Grund für den Krankenhausbesuch und alle gemessenen Vitalwerte in den Computer ein. Herzfrequenz, Blutdruck und Blutsauerstoff, den empfundenen Schmerz und die Körpertemperatur. Sofort spuckt die neue Triage-Software eine Stufe und einen Sektor aus, also Notaufnahme oder Praxis. Das Programm ist neben den Triage-Kabinen die zweite Neuheit in der Freiburger Notaufnahme. Felix Hans hat es mit einem Kollegen entwickelt. Dafür haben sie Ärz­t:in­nen aus der Unfallchirurgie, der neurologischen und klinischen Notfallmedizin, Pa­ti­en­t:in­nen mit unterschiedlichen Beschwerden gezeigt und gefragt, wie sie die Fälle einstufen würden. Auf Basis ihrer Einschätzungen und der gemessenen Vitalwerte entscheidet die Software.

Diesem Vorschlag kann Carolin Meisel zustimmen oder eine andere Stufe auswählen. „Meistens bin ich entspannter als das Programm“, sagt sie. Wie beim nächsten Patienten. Er hat Grippesymptome – Fieber, Schnupfen, hustet – und einen erhöhten Puls. Als sie die Herzfrequenz in den Computer tippt, springt das System auf Stufe 2. Das Feld leuchtet rot. Die Maschine sagt: Hochrisikosituation! Die Fachfrau sagt: „Unsportlicher Patient.“ Wenn man nicht fit ist und dann ein paar Tage Fieber hatte, sei es normal, dass der Puls hoch ist. Sie wählt Stufe 4 aus und schickt den Mann in die Praxis.

13.20 Uhr, Nummer 0045 hat Kopfdruck, seit zwei Tagen. „Waren Sie schon beim Hausarzt?“, fragt sie. Er schüttelt den Kopf. „Haben sie Stress?“ „Ein bisschen.“ Meisel klickt auf die 5. „Der hat nichts“, sagt sie, als er raus ist.

Warum setzen sie die Pa­ti­en­t:in­nen mit Schnupfen, Kopfweh und Mückenstichen nicht wieder vor die Tür? Das ist immerhin eine Notaufnahme und keine Apotheke. Krankenhäuser dürfen Pa­ti­en­t:in­nen ablehnen, wenn es sich nicht um einen Notfall handelt. Aber Hans findet: „Selbst wenn Sie nur einen Schnupfen haben, ist da eine subjektive Not.“ Sie wollen deshalb direkt helfen.

Mitte Juli hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das Gesetz zur Notfallreform auf den Weg gebracht. Es will, was in Freiburg schon Praxis ist: Integrierte Notfallzentren. Also ambulante Praxen, die der Notaufnahme angegliedert sind, um für Entlastung in den Kliniken zu sorgen. Deshalb erwartet Hans, dass sie die Ersteinschätzung durch eine ausgebildete Triage-Pflegekraft bald bezahlt bekommen.

Bisher ist das nicht der Fall, weil die Krankenkassenkarte erst hinter der Triage-Kabine durchgezogen wird – entweder in der Notfallpraxis oder der Notaufnahme. Noch geht die Uniklinik also in Vorleistung, weil es sich am Ende lohnen könnte: Entlastetes Personal, mehr Kapazitäten für schwere Fälle, verkürzte Wartezeiten für die Patien­t:in­nen.

Oberarzt Hans nennt einen weiteren Grund: „Wenn sie ein Hammer sind, sehen sie immer einen Nagel, den sie in die Wand schlagen wollen.“ So würden Me­di­zi­ne­r:in­nen auch funktionieren. Kardiologinnen vermuteten überall Herzinfarkte, der Neurologe wolle immer ein CT, die Internistin ein Blutbild. Dass alle Pa­ti­en­t:in­nen zu den einzelnen Spe­zia­lis­t:in­nen durchrutschen, sei daher nicht sinnvoll. Nicht jeder Bauchschmerz müsse in der Notaufnahme untersucht werden.

Seit Oktober 2023 wurden mehr als 40.000 Pa­ti­en­t:in­nen mit der neuen Software ersteingeschätzt. Hans scrollt durch Graphen auf seinem Bildschirm, die die Patientenzahlen der vergangenen zehn Monate in bunten Kurven abbilden. Insgesamt landen seit Einführung des neuen Systems 4 Prozent weniger Pa­ti­en­t:in­nen in der Notaufnahme. „Das ist nicht der Wahnsinn“, findet er, „aber der Wachstumstrend ist gebrochen.“

Die Maschine sagt: Hochrisikosituation! Die Fachfrau sagt: „Unsportlicher Patient“

Wenn man sich die Verteilung in den fünf Triage-Kategorien aber einzeln anschaut, fällt etwas auf: Die weniger dringlichen Fälle haben vorher 40 Prozent aller Pa­ti­en­t:in­nen ausgemacht. Jetzt sind es 30 Prozent. Die wirklich akuten Fälle sind hingegen von 17 Prozent auf 33 Prozent gestiegen. „Hier zeigt sich wahrscheinlich der überregionale Effekt“, sagt Hans. Beim Schädel-Hirn-Trauma aus dem Schwarzwald könnten sie jetzt sagen: „Kommt her, wir haben Platz.“ Wenn der verknackste Fuß in der ambulanten Praxis untersucht wird, haben die Ärz­t:in­nen in der Notaufnahme mehr Kapazitäten für Menschen, die in Lebensgefahr sind.

Aber die Kassenärztliche Vereinigung sieht ein Problem: Wenn Haus­ärz­t:in­nen Dienste in der Notfallpraxis im Krankenhaus übernehmen, müssen sie ihre Praxis in der Zeit schließen. Weshalb dann wieder mehr Pa­ti­en­t:in­nen in die Notaufnahme gehen könnten. Ob das also wirklich Druck von den Krankenhäusern nimmt, bezweifeln sie.

Wer von der vorgelagerten Ersteinschätzung angetan sein dürfte, sind die Krankenkassen. Bei einer Patientin, die mit unklaren Bauchschmerzen in die Notaufnahme kommt, könnte das so aussehen, Hans rechnet vor: Sie liegt vier Stunden lang auf dem Bett, bekommt Schmerzmittel, vielleicht intravenös, der Blutdruck wird gemessen und das Krankenhaus rechnet die Untersuchung als stationären Fall ab. Das kostet im Durchschnitt 580 Euro. Haus­ärzt:in­nen, also auch die angedockte Notfallpraxis, rechnen nach der Versichertenpauschale ab. Die, je nach Alter der Patient:innen, etwa zwischen 15 und 30 Euro liegt. Ein Patient, der nicht in die Notaufnahme muss, sondern genauso gut in der Praxis behandelt werden kann, kostet das Gesundheitssystem also rund 30-mal weniger.

Gerade überarbeiten Hans und sein Kollege den Algorithmus mit den neu gewonnenen Daten. Theoretisch könnte daraus eine künstliche Intelligenz entwickelt werden, die irgendwann die Triage übernimmt. Mit jeder Nummer, die vorne am Eingang gezogen wird, werden schließlich sehr genaue, aber anonyme Daten gesammelt, was sie einfach verfügbar macht. Bis sie ihre Software mit KI weiterentwickeln können, werden aber noch zwei, drei Jahre vergehen, schätzt Hans. Zuerst müssen sie einige Auflagen, die für Medizinprodukte gelten, erfüllen. Noch ist alles in der Testphase.

Und noch wählt Carolin Meisel fast immer eine andere Stufe als die Software aus. Sie stuft nicht nur runter, wenn Pa­ti­en­t:in­nen durch eine Grippe einen erhöhten Puls haben, sondern auch hoch, weil sie eben keine Maschine ist. An einem heißen Sommertag ziehe sie eine Schwangere, die nur ein Rezept braucht, zum Beispiel vor, damit sie sich schneller wieder zu Hause auf der Couch ausruhen kann.

Oder um 15 Uhr, als Meisels Kollegin schnell reagiert. Eine Patientin ist in einer psychischen Notsituation. Sie setzt sich immer wieder hektisch vom Stuhl auf den Boden und zurück. Auf ihrem Kleid ist am Rücken ein großer nasser Fleck, weil sie sich Wasser über den Kopf gekippt hat. Ihr Schädel brenne wie ein Vulkan. Die Triage-Pflegekraft hakt sich die Patientin unter den Arm und bringt sie direkt zu einer Ärztin.

Felix Hans sagt auch: „Was nicht passieren darf, ist, dass eine Maschine medizinische Entscheidungen trifft.“ Er sieht aber Potenzial darin, dass eine Software schnell Vorhersagen trifft und die Ärz­t:in­nen warnen kann. Bei der Erkennung einer Blutvergiftung, wo es auf jede Minute ankommt, könne künstliche Intelligenz einen entscheidenden Unterschied machen. „Wenn Opa Klaus kurzatmig, mit Schwindel und niedrigem Blutdruck in die Notaufnahme kommt, könnte die Maschine Alarm schlagen“ – weil sie weiß, dass 300 andere Pa­ti­en­t:in­nen mit denselben Symptomen eine Blutvergiftung hatten. Der frühe Patientenkontakt, bei dem systematisch die Vitalwerte gemessen werden, Hans sieht darin eine Chance.

Einen Patienten aus seinen ersten Klinikjahren kann er nicht vergessen. Der Mann war mit Verdacht auf Nierensteine in die Klinik gekommen und sollte vom Urologen untersucht werden. Hans lief an seinem Zimmer vorbei, er lag mit hochgelagerten Beinen im Bett. Er dachte: „Nierensteine, da hat man starke Schmerzen, aber muss normalerweise nicht den Kreislauf stabilisieren.“ Hans holte den Ultraschall, sah die aufgerissene Aorta. Noch während er den Mann in den Schockraum schob, ist er gestorben. „Das hätte nicht passieren müssen“, sagt Hans. Wenn sofort die Vitalwerte gemessen worden wären, hätten sie die unnatürlich hohe Herzfrequenz festgestellt, und dass wahrscheinlich kein Nierenstein die Ursache für seine Schmerzen war. Mit dem neuen Triage-System hätte der Mann also gerettet werden können, glaubt Hans.

Sieben Stunden in der Freiburger Notaufnahme, ein Mann Ende 30 betritt die Triage-Kabine. Hauptbeschwerde: Mundgeruch. Die Triage-Pflegekraft durchsucht ein-, zwei-, dreimal die Tabelle, die sämtliche Besuchsgründe auflistet – vergeblich. Stufe 5, klickt sie an, kein Fall für die Notaufnahme.