zwischen den rillen
: Nachdenken beim Tanzen

What Are People For?: „Criminals/Illusions“ (Alien Transistor/Indigo).Live 29. August, Festival Pop-Kultur Berlin

„Someday we will all be rich/I promise“, bald sind wir alle reich. Dieses Versprechen machen What Are People For? im neuen Song „criminals r snoozing“. Wer das Quartett What Are People For? kennt, hört daraus beißende Ironie und Kritik an den bestehenden kapitalistischen Verhältnissen. „Criminals r snoozing“ ist einer der ersten neuen Songs, die die Vier aus München seit ihrem 2022 veröffentlichtem Debütalbum „What Are People For?“ herausbringen.

Gewachsen aus der Zusammenarbeit der Performancekünstlerin und Musikerin Anna McCarthy und der Keyboarderin Manuela Rzytki, ist What Are People For? die extravaganteste Spoken-Word-Postwave-Band der bayrischen Landeshauptstadt. Gemeinsam mit Sängerin Paulina Nolte und Schlagzeuger Tom Wu gestalten sie einen Sound mit viel Groove und Punkattitüde. Er bricht die großen Fragen der Menschheit auf griffige Musik herunter. Ihre spröden Songtexte liefern zwar keine Antworten, doch fühlt man sich zumindest etwas weniger allein, wenn What Are People For? darin menschliche Ängste schmerzlich akkurat, aber humorvoll entlarven. Die Band beschreibt ihren Stil selbst als „Lovechild“ aus der Provo­haltung der britischen Industrialband Throbbing Gristle und dem scheinbar naiven Rap der New Yorker Band Tom Tom Club, einem Seitenprojekt der Talking Heads.

Mit „Criminals r snoozing“ üben WAPF auch Kritik an „Bad banks/Bad boys/Bad money“. Man muss sie sich dabei vorstellen, wie sie lethargisch auf dem Bett liegen und Konsumgut im Netz bestellen, das sie nicht brauchen. Nach den selbstironischen Zeilen folgt ein sanfter Refrain, der in mehrstimmiger Harmonie den Titel des Songs wiederholt – bewusst langsam, dem rasenden Tempo des Kapitalismus entgegen.

„Illusions“ schlägt einen anderen Ton an. Was zunächst als leises Gitarrenriff beginnt, wird zur rauchigen Neuinterpretation des gleichnamigen Cypress Hill Songs von 1996. „Some people can fuck off and go to hell“, rappen WAPF über die Melodie und überraschen dann mit der spanischen Übersetzung einiger Verse. „Si me cruzas a mi/Yo te mato“ zu Deutsch etwa: Komm mir nicht in die Quere/Sonst wars das für dich. Die Zeilen ergänzen den englischen Refrain um rauen Rap, der in seiner melodischen Intonation beinahe die Gewalt der Songtexte verbirgt. Für „Illusions“ holten WAPF die Acher-Brüder Markus und Micha ins Boot, die als The Notwist und Gründer des Alien Transistor Labels bekannt sind. In ihren Händen wird der Cypress-Hill-Klassiker zur Rapballade und drückt die Widersprüchlichkeit aus, sich missverstanden zu fühlen, aber gleichzeitig Leute von sich zu weisen.

Im Vergleich zum tanzbar-psychedelisch anmutendem Debütalbum wohnt „Criminals/Illusions“ ungeahnte Schwere inne. Statt mit dystopischer Disko zum Tanzen zu verleiten, regen Musik und Texte zum nachdenklichen Mitnicken an. Sie lassen Raum für eine Auseinandersetzung mit den Worten. Beim Pop-Kultur-Festival in Berlin werden What Are People For? garantiert beides ermöglichen: Tanzen und Nachdenken. Dazu die exzentrische Bühnenpräsenz mit Anna McCarthys Bienenkorbhut und Sixties Nostalgie. Es ist zu erwarten, dass der Abend sowohl seltsam als auch wundervoll wird. Ilo Toerkell