Neuer Kopfschutz in der NFL: Immer auf die Kappe

Die NFL startet am Wochenende und erstmals sind Kopfschutz-Hauben im Einsatz. Donald Trump hält dies für eine Verweichlichung des Männersports.

Üben mit Haube: NFL-Profis der Tampa Bay Buccaneers beim Training Foto: ZUMA Press/imago

Spätestens, wenn am kommenden Wochenende die Indianapolis Colts zum ersten Spieltag der NFL gegen die Houston Texans auflaufen, werden sich die Fans mit einen ungewohnten Anblick vertraut machen müssen. Mindestens zwei Spieler der Colts, Tight End Kylen Granson und Running Back Jonathan Taylor, werden nämlich Schaumstoffkappen auf ihren Helmen tragen, die sie ein wenig aussehen lassen wie Pilze.

Doch der etwas komische Look, der die gewohnt martialische Anmutung von NFL-Profis klar durchbricht, stört Granson und Taylor nicht im Geringsten. „Am Anfang dachten die Leute auch, dass Sicherheitsgurte albern aussehen“, sagte Granson auf Instagram. „Mir ist meine Gesundheit wichtiger als die Ästhetik.“

Bei den Schaumstoffkappen handelt es sich um sogenannte Guardian Caps, Kopfschutz-Hauben, die ähnlich denjenigen, die Boxer beim Training tragen, schwere Kopfverletzungen verhindern sollen. Bislang war das Tragen dieser Caps aufs Training beschränkt, in diesem Jahr dürfen sie zum ersten Mal auch bei Ligaspielen getragen werden – vorerst allerdings freiwillig.

Es ist die jüngste einer Vielzahl von Regelungen der vergangenen Jahre, die dazu dienen sollen, den Footballsport sicherer zu machen. Dazu gehört in diesem Jahr auch das Verbot von Angriffen, bei denen ein Verteidiger einen Läufer an der Hüfte packt und durch die Luft schleudert, dazu gehörte in der Vergangenheit ein direktes Rammen der Gegner mit dem Helm und dazu gehörte auch das Verbot des Packens des Gegners am Kinnschutz seines Helmes.

100 Prozent Berufsinvalide

Die NFL versucht so, der wachsenden Kritik zu begegnen, dass sie ihre Spieler gesundheitlich verschleißt. Der Sportjournalist Dave Zirin bezifferte einmal das Risiko der Berufs­invalidität eines Football-Profis auf 100 Prozent. Ein ehemaliger Spieler sagte in Zirins Dokumentation „Behind the Shield“, dass Football-Spieler das mittlere Alter überspringen und nach dem Karriereende direkt von der Jugend in das Stadium alter Männer übergehen.

Kylen Granson, NFL-Profi der Indianapolis Colts

„Mir ist meine Gesundheit wichtiger als die Ästhetik“

Die größte Kritik handelte sich die NFL dafür ein, wie sie mit der Verbreitung der Hirnerkrankung CTE unter ehemaligen Spielern umging. Seit Beginn der 2010er Jahre belegen Studien einen Zusammenhang von Football und der degenerativen Gehirn­erkrankung, die bis zu 70 Prozent der Spieler betrifft. Sie führt zu schweren Depressionen, frühzeitiger Demenz bis hin zu dramatisch erhöhter Suizidanfälligkeit.

Im Jahr 2018 erkannte die NFL dann endlich den Zusammenhang und einigte sich mit den Spielern auf einen Vergleich. Es wurde rund eine Milliarde Dollar an Entschädigungen ausbezahlt. Eine Summe, die jedoch häufig nicht bei den Betroffenen ankam. Die Washington Post schätzt, dass der Verband durch bürokratische Sturheit und Klageandrohungen bis zu 700 Millionen Dollar an Auszahlungen sparte.

Die Debatte um die langfristigen Gesundheitsschäden beim Football ebbte nicht ab. In den vergangenen Jahren wurden immer neue Untersuchungen angefertigt, die die Schädlichkeit des Footballspielens nachwiesen. Eine Studie bewies etwa, dass schon die Kumulation leichter Hirnverletzungen, die unterhalb der Schwelle der Gehirnerschütterung liegen, CTE auslöst.

Eine andere Studie fand eine schockierende Anzahl langfristiger Hirnschäden unter Erwachsenen, die nur in der Jugend Football gespielt hatten. Neuere Statistiken zeigten darüber hinaus, dass Spieler auf bestimmten Positionen pro Saison knapp 800 Schläge auf das Gehirn mit der Kraft eines schweren Verkehrsunfalls erleiden.

Trump und die Rettung des Männersports

Deshalb wurden in der Saison 2022 erstmals die Schaumstoffkappen im Training getestet, die nun freiwillig im Spiel eingesetzt werden. Doch die Wirksamkeit bleibt umstritten. Die NFL behauptet, dass beim Testeinsatz im Training bis zu 50 Prozent weniger Gehirnerschütterungen aufgetreten seien. Experten kritisieren jedoch, dass die NFL keine Daten bereit stelle, die eine solche Behauptung untermauern.

Unabhängige Studien fanden derweil, dass der Gebrauch der Guardian Caps die Kraft der Stöße auf Kopf und Gehirn nicht signifikant mindert. Einer der Forscher, Nicholas Murray von der Universität von Nevada, riet, das Geld lieber in gute Trainer zu investieren. „Die sind viel wirksamer darin, schädliche Kollisionen zu vermeiden.“

Es scheint also, als wäre die NFL noch immer mehr daran interessiert, den Anschein zu erwecken, das Spiel sicherer zu machen, als tatsächlich etwas zu ändern. Schließlich gibt es gerade aus der rechten politischen Ecke schon seit Jahren die Kritik, der Sport verweichliche und harte Männer müssten etwas einstecken können.

Donald Trump persönlich beschwerte sich, dass die NFL sich mit ihren Reformen den linken Medien beuge, die ohnehin traditionelle Männlichkeits­ideale demontierten. Die Anhängerschaft Trumps deckt sich noch immer stark mit der zahlenden Kundschaft der NFL. Und die hat mehrheitlich nur wenig Freude daran, Pilzhelme aus Schaumstoff auf dem Feld zu sehen.

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