kritisch gesehen: tanz in der bremer kunsthalle
: Ein Dialog findet nicht statt

Vielleicht knallt’s ja im Normalbetrieb mehr. Vielleicht vermag die Tanzperformance „Spektrum/Raum“ während der üblichen Kunsthallen-Öffnungszeiten deren Publikum in Verwunderung versetzen und sogar ein bisschen stören. Schließlich ist es nicht möglich, alle Bilder und Videoinstallationen anzuschauen, während sich Tän­ze­r*in­nen vor ihnen gekonnt und auffällig bewegen. Am Premieren-Abend hingegen ergibt sich noch nicht einmal diese Spannung.

Denn, als nach einer knappen Stunde ausführlicher Einführungsreden das Spektakel startet, zeigt sich schnell: Spätestens der hier aufgetürmte bildungsbürgerliche Sinnstiftungsschutt hat die Choreografie von Máté Mészáros erschlagen, plattgedrückt und zugedeckt. Wie sollen denn seine kleinen, zusammenhanglosen, hübsch anschaubaren Szenen, die er übers Gebäude verteilt ausführen lässt, mit all den von Kuratorin Eva Fischer-Hausdorf und Dramaturg Gregor Runge hergebeteten Big Names – Fluxus! Abramovic! Piene! Forsythe! Bausch! Paik! Wiener Aktionismus! Schlemmer! – konkurrieren? Wird er da nicht zum Zwerg unter den Stiefeln von Riesen? Und wie zum Kuckuck kann man angesichts der präsentierten Körperübungen auf die Idee kommen, vom Dialog zwischen Tanz und bildender Kunst zu sprechen?

Denn die mit Abstand besten Sequenzen finden unten in den leeren weißen Sälen statt. Räume, die kaum mehr Charme haben als eine x-beliebige Probebühne. Vorteil: Die untypisch zurückhaltenden Projektionen des inzwischen europaweit bekannten Bremer Lichtkunstkollektivs „Urban Screen“ kommen hier besser zur Geltung. Bilder, Skulpturen und Objekte gibt’s hier keine. Der Widerpart für die Zwiesprache fehlt.

Dort, wo Gemälde hängen, stellt sie sich indes auch nicht ein: Kein Bezug zum Inhalt scheint auf, kein Dialog entspinnt sich, wenn die Mitglieder der am Theater Bremen beheimateten Kompagnie „Unusual Symptoms“ vor gerahmten Leinwänden gut getaktet windmühlenartige Armbewegungen ausführen. Die, offenkundig eine Lieblingsvokabel in Mészáros‘ Tanzsprache, erinnern ein wenig an verlangsamte Keulenübungen der rhythmischen Sportgymnastik, allerdings ohne Keulen, Würfe und das komplizierte Auffangen hinterm Rücken. In den Sälen schließlich, in denen Videokunst ihre Betrachter ins Auge nimmt und so zu Objekten der Betrachtung an die Wände projiziert, schlängelt und rollt sich eine Tänzerin – es ist Maria Pasadaki – so geschickt am Boden entlang, dass die Kamera sie nicht erfasst.

Tanz „Spek­trum/Raum“, Kunsthalle Bremen in Kooperation mit dem Theater Bremen, Aufführungen: 6., 8., 13., 14. und 15. 9., 14–17 Uhr, sowie 7. 9., 16–19 Uhr, und 10. 9., 18–21 Uhr

Könnte ein Film-Zitat aus „Ocean’s Twelve“ sein, wo’s den Einbrechern darum geht, die Alarmanlage im Museum auszutricksen. Mindestens wirkt diese Vermeidung von Dialog auf neurotische Weise witzig, ein bisschen wie Slapstick, wenn auch gedämpft: Für mehr als ein Lächeln reicht’s nicht. Tatsächlich war die Choreo ursprünglich eine fürs Kleine Haus des Theater Bremen konzipierte abstrakte Szenenfolge. Mit ihr hatten Choreograf und Kompagnie das Verhältnis von Raum und Körper im Tanz ausloten wollen. Corona beendete das – weil hygienepolitische Maßnahmen diese Fragen recht eindeutig klärten. Mészáros’Antworten sind in ihrer fröhlich-dekorativen Unverbindlichkeit obsolet geworden. Museumsreif, könnte man sagen. ­Belanglos trifft es genauer. Benno Schirrmeister