die dritte meinung
: Rassistische Träume werden heute auch von linksliberalen Parteien umgesetzt, kritisiert Lea Reisner

Während die rechtsextremen Übergriffe in Deutschland Rekordzahlen erreichen und eine faschistische Partei in einer Landtagswahl die Mehrheit erlangt, macht der Landkreistag Vorschläge, die schlicht unverantwortlich sind: So sollen Asylanträge von Personen, deren Identität durch Dokumente nicht gesichert festgestellt werden kann, abgelehnt werden.

Wer eine Brandmauer sein will, darf keine Maßnahmen formulieren, die rassistisch und zudem rechtlich nicht umsetzbar sind. Asylanträge aufgrund fehlender Papiere abzulehnen ist sinnbefreit. Abgesehen von den humanitären Widersprüchen dieser Forderung, ist das völkerrechtlich nicht möglich. Ebenso unrealistisch ist die Idee, Menschen pauschal an deutschen Grenzen zurückzuweisen, was europarechtlich unzulässig ist und keinen Rückhalt in der EU finden dürfte.

Menschenunwürdige Aufnahmebedingungen zum Anlass zur Abschottung zu nehmen, anstatt die bisherigen Lebensrealitäten für Geflüchtete in Deutschland zu verbessern, pervertiert die Grundidee einer offenen Gesellschaft.

Dem Maßnahmenpaket fehlen Forderungen, die tatsächlich zur (sozialen) Sicherheit beitragen: mehr Lehrpersonal, Schul­psy­cho­lo­g*in­nen, Deutschkurse. Schluss mit Arbeitsverboten und Unterbringung in Massenunterkünften, ebenso mit Kettenduldungen. Ein wirksames Demokratiefördergesetz könnte der Radikalisierung – sowohl islamistischer als auch rechtsextremer Art – entgegenwirken. Laut einer Umfrage sehen deutsche Bür­ge­r*in­nen übrigens in Letzterem die größere Gefahr.

Lea Reisner, geboren 1989, ist Krankenpflegerin, Seenotretterin und Co-Autorin von „Grenzenlose Gewalt. Europas unerklärter Krieg gegen Flüchtende” und Mitglied der Linkspartei.

Die politischen Kampagnen, in denen Migrierende gezielt zu Objekten sowie zur Gefahr stilisiert werden, zeigen Wirkung. Was vor einigen Jahren noch als unsagbar galt, wird heute auch von „linksliberalen“ Parteien gefordert. Stück für Stück werden völkisch-rassistische Träume der rechtsradikalen Identitären Bewegung von demokratisch gewählten Parteien in die Realität umgesetzt. Polemische und rechtlich fragwürdige Forderungen sind ein Angriff auf die Demokratie.