Gekommen, um zu bleiben

SCHWARZ FRONT Politiker von CDU und CSU wollen das Internet nicht länger den Linken überlassen und gründen einen Verein. Gut so

Viele liberale und linke Nutzer glauben offenbar an eine Art Hausrecht im Internet

VON MEIKE LAAFF

Die Welt war schon immer hübsch überschaubar, wenn man sie einfach in Schwarz und Weiß eingeteilt hat. Und wie schön einfach hat es die Union den klassischen Netzaktivisten gemacht, wenn ihr Bundestagsabgeordneter Ansgar Heveling der „Netzgemeinde“ den Krieg erklärte, wenn CDU und CSU für Vorratsdatenspeicherung, für Bundestrojaner, gegen Anonymität im Netz eintraten – nichts war simpler, sie als beknackte Internetausdrucker, als Nichtversteher, als Ewig-Gestrige zu labeln. Als dunkeldoofe Seite der Macht.

Doch je zentraler das Internet für unsere Gesellschaft wird, je erfolgreicher netzpolitische Probleme Aufmerksamkeit erheischen, desto weniger ist man als digitaler Ureinwohner unter sich – also unter Linken und Liberalen. Im Jahr drei nach Ursula von der Leyens Idee, Sperrlisten für Internetseiten zu installieren, hat auch die Union dazugelernt. Oder zumindest Teile. Einzelne Politiker, darunter auch die Internet-Enquete-Mitglieder Thomas Jarzombek oder Peter Tauber, sind internetverständiger als viele ihrer älteren Parteikollegen. Verständiger, als so mancher Netzaktivist, der stramm für ultraliberales Urheberrecht, gegen Vorratsdatenspeicherung und für Netzneutralität eintritt, es sich wünscht. Und darum ist es auch nur konsequent, wenn Jarzombek und Tauber nun einen Verein gegründet haben, in dem aus bürgerlicher Sicht über Netzpolitik diskutiert werden soll – das so genannte Cnetz.

Der gerne als netzpolitische Pöbelplattform genutzte Mikroblogging-Dienst Twitter war gestern voller Häme über die Cnetz-Gründung. Haha, CDU und Netzpolitik, ein billiger Versuch, auf die Erfolge der Piratenpartei einzugehen, das kann ja heiter werden, bei deren netzpolitischer Holzkopfmentalität und so weiter und so weiter. Abwehrreflexe digitaler Auskenner, die sich irgendwie diffus nicht nur im Netz zu Hause fühlen, sondern auch in dem Eindruck leben, dort das alleinige Hausrecht zu haben.

Tatsächlich würde es für sie ja auch ungemütlich werden, wenn es der Union gelänge, tatsächlich Vorschläge für eine Netzpolitik zu machen, die nicht so kenntnisbefreit sind wie viele derzeit – aber trotzdem erzkonservativ – oder, wie das Cnetz es in seiner Selbstdarstellung immer wieder wiederholt, „bürgerlich“.

Gerade der aktuelle Diskurs über das Urheberrecht zeigt, wie notwendig es ist, nicht immer nur die eigene Position zu verkünden und alle, die sie nicht teilen, als Idioten zu diffamieren. Denn das ist nicht nur sehr bequem – es bringt auch den Dialog, das Suchen nach konstruktiven Lösungen kein Stück weiter. Und das ist angesichts der wichtigen Entscheidungen, die zu drängenden netzpolitischen Fragen anstehen, ziemlich pubertär.

Die Erfolge der Piratenpartei, das stimmt, haben den Druck auf das klassische Parteienspektrum erhöht, sich mit Netzpolitik ernsthaft zu beschäftigen. Tatsächlich ist dieses Fügen in die Notwendigkeit schon älter als die Piraten – ihre derzeitige Popularität hat den Denkprozess von CSU bis Linke höchstens beschleunigt.

Klar ist: Die Erfahrungen mit netzpolitischen Ausgründungen von Parteien sind bisher ambivalent. Die SPD zeigt mit ihrem netzpolitischen Verein D64 seit einiger Zeit, wie gut eine Partei ignorieren kann, was Experten und Netzpolitiker in einem solchen Forum diskutieren. Und der Verein Digitale Gesellschaft, den der Blogger und Unternehmer Markus Beckedahl mit einer Handvoll Mitstreitern vor einem Jahr gründete, zeigt, wie schwierig es selbst mit netzlibertären Positionen ist, das Plazet derer zu bekommen, die so oft und gerne als „Netzgemeinde“ beschrieben werden.

Es ist gut möglich, dass der Verein um Jarzombek und Tauber Positionen auswirft, die diese netzpolitisch interessierten Nutzer noch viel mehr hassen werden – schon allein weil ihre Ankündigungen, Freiheit im Netz sei kein Selbstzweck und Netzpolitik brauche „Maß und Mitte“, nicht nur Gutes erwarten lassen . Aber zumindest besteht die Chance auf einen Ausgangspunkt für einen Dialog. Eine Basis, auf der nicht nur Gut gegen Böse, Schwarz gegen Weiß, Internetausdrucker gegen digitale Besserwisser steht – sondern auf der man um politische Entscheidungen ringen kann. Auch wenn man vielleicht nicht immer mit seiner Maximalposition durchkommt.