wortwechsel
: 1 x Thüringen + 1 x Sachsen = 2 x Failed State?

Versuchslabor Parlament-Ost? Auf dem Weg in die „fragmentarische Demokratie“? Sind die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen ein Weckruf? Wer steht auf – und für was?

Gegendemonstration zur Abschlussveranstaltung der AfD: „Thüringen bleibt bunt! Faschisten raus aus den Parlamenten!“ 31. August 2024 in Erfurt, Thüringen Foto: Jacob Schröter/imago

„Nach den Ostwahlen: Alles muss anders – ein bisschen. Die Wahl war ein Denkzettel für die Ampel, bundespolitische Themen bestimmten den Wahlkampf. Welche Schlüsse SPD, Grüne und FDP ziehen“, taz vom 3. 9. 24

Das Recht verteidigen

100 Jahre nachdem die völkischen Parteien bei der Landtagswahl so viel Macht gewannen, dass sie das Bauhaus aus Weimar vertreiben konnten, nun wieder Thüringen: voran zurück.

Rainer Franke, Karlsruhe

Wir erleben, dass der Terrorangriff von Solingen fast vom gesamten politischen Spektrum instrumentalisiert wird, um Rassismus zu schüren und die Abschiebung von Menschen zu fordern, die mit der Tat nichts zu tun haben. Die Tat wird benutzt, um die Abschaffung rechtsstaatlicher Grundsätze zu fordern, die solchen Abschiebungen entgegenstehen. Herr Merz spricht sogar davon, dass das Grundgesetz und internationale Verträge kein Tabu mehr sein dürfen. Diese Entwicklung ist zutiefst beängstigend. Wir dürfen die Rassisten aus der Mitte der Gesellschaft nicht damit durchkommen lassen, indem wir so tun, als seien nur erklärte Rechtsextremisten das Problem. Britta Bremer, Essen

Wir müssen verhindern, dass radikale Strömungen die Bevölkerung wieder ergreifen und wir in einem Sumpf von Hass und Gemeinheit versinken. Schlägertrupps und pöbelnde, gewaltbereite Männer dürfen nicht die Straßen beherrschen. Wenn Leute hässliche Parolen brüllen, müssen Anwesende aufstehen und ihren Unmut offen aussprechen. Nur so werden wir ein demokratisches Miteinander erreichen. Ekkehard Bergner, Würzburg

Ein Teil des Problems …

Bei den Wahlen hat die AfD in Sachsen 30,6 Prozent und 32,8 Prozent in Thüringen bekommen. Die Wahlbeteiligung lag bei 74,4 und 73,6 Prozent. Es haben also 70 Prozent der Wäh­le­r*in­nen demokratische Parteien gewählt. Mehr als 25 Prozent haben überhaupt nicht gewählt.

Einfach mal so die Sachsen und Thü­rin­ge­r*in­nen als dumpf oder Herrenmenschen zu beschimpfen, trägt nicht zur Lösung des Problems bei, sondern ist Teil des Problems. Stefan Müller, Berlin

Ich verstehe beim besten Willen nicht: Warum wurde diese AfD-Partei, die einen Umsturz herbeiführen möchte, nicht schon längst verboten?

Sehr zum Aufstieg der Rechtsextremen haben auch die CDU/CSU (insbesondere Merz) und die FDP beigetragen, indem sie mit ihrem Populismus die AfD salonfähig machten. Nicht die AfD, sondern die Grünen und die Klimaaktivisten wurden von ihnen als Staatsfeinde ausgerufen. Die Verhältnisse erinnern mich an die Weimarer Republik, die vor Hitler und seinem rechtsextremen Mob einknickte. Conrad Fink

Trotz des Wahlergebnisses in Thüringen wäre es nicht notwendig gewesen, Höcke mit einem großen Foto in Siegerpose auch noch auf der Titelseite der taz eine Bühne zu bieten. Ein Foto des Thüringer Waldes hätte es auch getan. Vielleicht könnte sich die taz eine andere Strategie überlegen, um den Rechtsradikalismus nicht auch noch zu beflügeln.

Name ist der Redaktiion bekannt

Wo bleibt der Aufschrei? Der Erfolg der AfD ist eine Zäsur für den deutschen Rechtsextremismus. Die Politik hat ihrem Aufstieg viel zu lange zugeschaut“, taz vom 3. 9. 24

Eine historische Zäsur?

Wo bleibt der Aufschrei? Ich schrei schon ewig auf und einige andere auch, aber wir werden nicht gehört oder gelesen! Wo wird das enden? In einer Gewaltorgie. Shitstormcowboy auf taz.de

Ist die AfD schlimmer oder nicht so schlimm wie Geert Wilders, Heinz-Christian Strache, Marine Le Pen oder Meloni? Wie schlimm sind sie im Vergleich zu Trump? Ich denke, für das Verständnis braucht es eine internationale Betrachtung. Algernoon auf taz.de

Die 30 Prozent im Osten blieben wie zementiert. Andererseits: Trotz Solingen und der darauf ansetzenden populistischen Kampagne fast aller Parteien und Medien gegen das Asylrecht hat die AfD auch nicht dramatisch zugelegt. Daraus könnte man auch schließen: die Partei hat jetzt ihren Zenit erreicht. Think positive. Abdurchdiemitte auf taz.de

Der Schwenk von Rot/Grün von Friedensparteien zu Befürwortern von Aufrüstung und Waffenlieferungen war nur noch der Tropfen, der das Fass (in Sachsen und Thüringen) zum Überlaufen brachte. Die Stärke von AfD und BSW ist nur mit der Schwäche von Rot und Grün zu erklären. Bürger L. auf taz.de

Blick zurück im Zorn

Man schaue sich Äußerungen der CDU/CSU aus den1980ern zu den hier lebenden Türken an: Kohl plante eine „Rückführung“ von 50 Prozent. Höcke nennt es Remigration.

Und einen weiteren Akteur blenden Sie völlig aus: Ihre Kollegen. Die Bild, Welt, FAZ und NZZ blöken schon sehr lange in das rechtskonservative Horn, fahren Kampagnen, schüren Stimmungen gegen eine progressive Politik. Die Wurzeln liegen zu erheblichen Teilen in der alten Bundesrepublik. Rethra auf taz.de

Hätte man die zahlreichen bürokratischen Hürden und Schikanen schon vor Jahren ersatzlos gestrichen, die Flüchtlingen bei Anerkennung ihrer Abschlüsse und der Aufnahme von Arbeit bereitet werden, hätte man mehr gegen Ausländerfeindlichkeit getan als mit allen noch so schönen Förderprogrammen. PEWI auf taz.de

Aber wer soll eigentlich aufschreien? Diejenigen, die im Alltag zwischen den Wahlen weder Empörung noch Empathie zeigen, wenn Juden, Frauen, Queers, Arme und Menschen mit Behinderung entwürdigend diskriminiert und gefährdet werden? Michaela Dudley, Berlin