Tanzstadt Dresden? Das Netz tanzt

Dresdens Tanzszene schaut auf eine lange Tradition zurück und gilt heute als vital und kreativ. Außergewöhnlich ist der enge Zusammenhalt unter Tänzer:innen.

Von Maxie Liebschner

Dresdens kulturelles Erbe – das ist weit mehr als die barocke Architektur eines Matthäus Daniel Pöppelmann oder die klassische Musik Carl Maria von Webers. Besonders für den zeitgenössischen Tanz war Dresden eine der Vorreiterstädte Deutschlands. Ikonen des modernen Tanzes wie Mary Wigman und Gret Palucca prägten das kulturelle Leben hier in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dafür brauchten sie nicht einmal Ballettschuhe. Sie waren barfuß und bewegten sich nicht nach den Regeln des klassischen Tanzes.

Die Dresdner Tänzerin und Choreografin Cindy Hammer ist überzeugt davon, dass Dresden auch heute noch ein wichtiger Ort für Tanz ist. Hammer machte ihre Ausbildung an der Palucca Hochschule für Tanz in Dresden und beschreibt die zeitgenössische Tanzszene ihrer Stadt als vital und produktiv. Charakteristisch seien zudem die verschiedenen künstlerischen Handschriften und Organisationsstrukturen. Ihre eigene Truppe, die go plastic company, ist gut mit anderen Tanzstilen, Gruppen und Vereinen vernetzt.

Das Besondere an Dresden ist eben die gute Vernetzung in der freischaffenden Szene. Hammer spricht über das „Tanznetz Dresden“. Es biete Training für Profitänzer:innen, Austauschformate und verschaffe Raum für verschiedene Präsentationsformate an Dresdner Spielorten und in Kunsträumen. Dieses Netzwerk ist in dieser Form deutschlandweit wohl einmalig.

Ein ebenso feinmaschiges Netzwerk hat sich die Breakdancegruppe The Saxonz aufgebaut, die seit 2013 existiert. Gründungsimpuls war das Zusammenbringen von kleineren Tanzgruppen und Tänzer:innen, um das Potenzial zu bündeln, etwa um bei bundesweiten Wettbewerben besser abschneiden zu können, erzählt Lehmi, bürgerlich Philip Lehmann. Und so kommen die 23 Tän­ze­r:in­nen von The Saxonz aus Dresden, Leipzig und Chemnitz – im deutschen Breakdance ist diese Größe und Verteilung ein Alleinstellungsmerkmal.

Darüber hinaus entstanden weitere Projekte, so auch das Battle-Format Floor on Fire für Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste. Der Kulturbetrieb der Stadt Dresden auf dem Gelände des Festspielhauses Hellerau im gleichnamigen Stadtteil nahm schon vor über 100 Jahren eine wichtige Rolle in der Entwicklung des modernen Tanzes ein. Heute ist es ein Gastspiel- und Koproduktionshaus, das zeitgenössischen Künsten wie Tanz, Theater und Musik eine Bühne bietet. Dieses Battle-Format, das in Hellerau ein großes Publikum findet und bei dem sich Tän­ze­r:in­nen verschiedener Tanzstile unabhängig von ihrer Herkunft oder ihren politischen Ansichten duellieren, ist nun schon fast zehn Jahre alt.

Auch Hammer hat schon bei diesem Format mitgewirkt. Den Sinn ihrer Arbeit sieht sie in der Möglichkeit, Menschen zusammenzubringen und sie mit dem eigenen Körper in Beziehung zu setzen. Für Hammer und Lehmi schafft die Kulturstätte Hellerau viel Raum für Neues und Diverses.

Dresden ist vielfältig und die Dresd­ne­r:in­nen sind diskussionsbereit, sagt André Schallenberg, Programmleiter im Kulturbetrieb Hellerau. Das Europäische Zentrum der Künste schafft einen Ort der Begegnung. Schallenberg sieht hier aktive Bürger:innen, die ein reges Interesse am Austausch haben. „Die Welt nach Dresden holen“ – durch ein breites internationales und lokales Angebot –, das möchte Hellerau, sagt Schallenberg.

Und doch ist die Existenz des Kulturbetriebs zuletzt immer wieder aufgrund fehlender Förderung und fehlender Anerkennung bedroht. Auch rechte Parteien wie die AfD verstärken das Problem. So sehen sie für kulturelle und künstlerische Institutionen, die mit ihrer Offenheit und Internationalität gegen das Ressentiment rechtspopulistischer Ak­teu­r:in­nen arbeiten, keinen Platz. Umso feinmaschiger spannen die Tän­ze­r:in­nen ihr Netz, um die lokale und internationale Szene miteinander zu verknüpfen.

Maxie (31) wuchs in einem kleinen Ort bei Dresden auf und war in Medien, Theater und Tanzkunst unterwegs. Derzeit volontiert sie an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.