E.on hart am Wind

Im Vertriebsgebiet wird fast so viel regenerative Energie erzeugt wie in Italien und Großbritannien zusammen. Hochspannungsleitungen geplant

Rund 10.000 Kunden haben sich gegen Gaspreiserhöhungen zur Wehr gesetzt

Von Gernot Knödler

Die Windkraft hält die Energiewirtschaft im Norden weiter in Atem. Mit 2.154 Megawatt war im vergangenen Jahr allein im Netzgebiet von E.on Hanse so viel Windstromleistung installiert wie in Italien und Großbritannien zusammen. Weil das Stromnetz bereits heute bisweilen überfordert ist und das Wachstum weitergeht, will der Energieversorger in den kommenden Jahren 110 Kilometer neue Hochspannungsleitungen bauen.

Das kündigte der aus der Schleswag, Heingas und Hansegas hervorgegangene Energieversorger gestern bei seiner Jahresbilanzpressekonferenz an. Der Vorstandsvorsitzende Hans-Jakob Tiessen forderte den Bundesgesetzgeber auf, noch vor den angepeilten Neuwahlen ein neues Energiewirtschaftsgesetz zu beschließen.

Das Gesetz, das der Bundestag Mitte April mit rot-grüner Mehrheit verabschiedet hat, droht am unionsdominierten Bundesrat zu scheitern – um so mehr, als die Versuchung für die Union groß ist, SPD und Grünen durch eine Blockade einen Erfolg vor der Wahl vorzuenthalten.

„Wir setzen auf eine schnelle Einigung noch vor den Neuwahlen“, sagte Tiessen. Zwar gebe es noch Änderungsbedarf bei dem Gesetzentwurf, ein schneller Beschluss habe aus Sicht seines Unternehmens jedoch Priorität. Mit dem Gesetz soll unter anderem eine Regulierungsbehörde für den Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt geschaffen werden. Diese soll verhindern, dass sich die Netzbetreiber mit Hilfe ihrer Monopolstellung Vorteile verschaffen.

Die E.on Hanse gehört zu knapp drei Vierteln dem Münchner E.on-Konzern und zu gut einem Viertel den elf schleswig-holsteinischen Landkreisen. Etwa 60 Prozent ihres Umsatzes erwirtschaftet sie mit dem Vertrieb und der Verteilung von Gas, rund 40 Prozent mit Strom. Dabei ist das Unternehmen zusammen mit anderen vor allem wegen der steigenden Gastarife in die Kritik geraten. Verbraucherschützer warfen den Versorgern vor, sie verlangten überhöhte Preise. Sie forderten die Kunden auf, den Anhebungen zu widersprechen. Wie E.on Hanse jetzt einräumt, sind rund 10.000 ihrer Kunden diesen Aufrufen gefolgt. Im vergangenen Jahr versorgte das Unternehmen rund 716.000 Kunden mit Strom und 489.000 mit Erdgas.

Tiessens Einschätzung zufolge werden die Energiepreise weiter steigen. „Wir sehen keine Trendwende“, sagte der Vorstandschef. Insbesondere die Entwicklung des Ölpreises beobachteten er und seine Kollegen mit Sorge. Der Gaspreis ist über langfristige Verträge mit den Lieferländern an den Ölpreis gekoppelt, was Kritiker für überholt halten.

E.on Hanses Gasabsatz verringerte sich gegenüber 2003 um 7,2 Prozent. Sie begründete das mit den milden Temperaturen und dem Wegfall von Sonderlieferungen. Wegen der höheren Preise schrumpfte der Umsatz nur um knapp ein Prozent. Mehr Umsatz machte das Unternehmen mit Strom. Es verkaufte rund zwei Prozent mehr als 2003, wobei der Anteil aus erneuerbaren Quellen zunahm. „Dieser Trend ist vor allem im stetigen Ausbau der Windenergie begründet“, sagte Vorstand Dirk Rüggen. Waren im Netzgebiet in Hamburg und Schleswig-Holstein 1999 noch 800 Megawatt Windenergieleistung installiert, so rechnet Rüggen im kommenden Jahr mit 2.500 Megawatt.

Um den Windstrom abtransportieren zu können, plant das Unternehmen drei neue Hochspannungsleitungen. Für zwei Trassen laufen bereits die Planfeststellungsverfahren, die dritte befindet sich noch im Raumordnungsverfahren. Auf den Trassen sind Freileitungen geplant, weil sie um die Hälfte bis zwei Drittel billiger sind als Erdkabel, wie Vorstandsmitglied Klaus Lewandowski sagte.

Allerdings ist der Unterhaltungsaufwand für Erdleitungen geringer. Im Mittelspannungsnetz hat E.on Hanse im vergangenen Jahr 430 Kilometer Leitungen in die Erde gelegt. Von insgesamt 88 Millionen Euro investierte sie 30,4 Millionen Euro in die Strom- und 22,1 Millionen Euro in die Gasversorgung, darunter in den Ausbau zweier Speicher in Reitbrook und Kraak.