Erst der Job weg, jetzt die Wohnung

In Hamburg sollen die ersten 250 Arbeitslosen ihr Zuhause aufgeben und sich billigere Quartiere suchen. Wohnungen zum Hartz-IV-Preis aber gibt es kaum, warnt der Mieterverein. GAL befürchtet „Massenwanderung“ in soziale Brennpunkte

Von Eva Weikert

In Hamburg werden die ersten Arbeitslosen aus ihren Wohnungen getrieben. Die Hartz-IV-Behörde hat jetzt 250 Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG II) aufgefordert, sich bis spätestens Ende August eine neue Bleibe zu suchen. Bei den Betroffenen handele es sich um die zunächst „extremsten Fälle“, so Behördensprecher Uwe Ihnen, „wo sich die Hilfebedürftigkeit daraus begründet, dass sie zu hohe Wohnkosten haben“. Alle anderen Empfänger von ALG II, deren Bruttokaltmiete die von Hartz vorgeschriebene Grenze weniger stark überschreitet, würden ab 1. Juli angeschrieben. Die grüne Opposition warnt, die Preisgrenze sei zu niedrig angesetzt. In Hamburg drohten darum „massenhafte Zwangsumzüge“.

Wer nach dem 1. Juli angeschrieben wird, dem gewährt die für Hartz zuständige Arbeitsgemeinschaft (Arge) eine Frist bis zum 1. Januar 2006 – aber nur, so Ihnen, wenn „Bemühungen zur Wohnungssuche nachgewiesen werden“. Wer dann keine billigere Bleibe oder einen Untermieter vorweisen kann, muss einen Teil der Miete vom ALG II bestreiten, das gerade mal 345 Euro beträgt.

Der Deutsche Mieterbund rechnet mit bundesweit rund 100.000 Zwangsumzügen durch Hartz IV. Das wären 2,5 Prozent der 4,3 Millionen ALG-II-Bezieher. Wie vielen HamburgerInnen der Verlust der Wohnung droht, könne die Arge noch nicht sagen, so Ihnen. Welche Miete „angemessen“ sei, würden die Kommunen festlegen, denn sie zahlen die Unterkunftskosten. Bei Mietern sind das Miete, Heizung und Betriebskosten, bei Eigentümern öffentliche Abgaben, Schuldzinsen und Grundsteuer.

Die Wohnung eines ALG-II-Empfängers in Hamburg darf höchstens 45 Quadratmeter groß und ohne Heizkosten und Strom 318 Euro teuer sein. Für zwei Personen liegt die Grenze bei 409, für einen Vier-Personen-Haushalt bei 576 Euro mit einer maximalen Wohnungsgröße von 85 Quadratmetern. Das entspricht einer Nettokaltmiete von etwa sechs Euro pro Quadratmeter. Der Hartz-Preis liegt damit leicht unter dem gültigen Mietenspiegel von 2003. Damals wurde eine Nettokaltmiete von im Schnitt 6,31 Euro pro Quadratmeter ermittelt. Die Sozialbehörde, die den Grenzwert für Stützeempfänger festgelegt hat, habe sich unter anderem am Mietenspiegel orientiert, so Sprecher Rico Schmidt, „und an Kenntnissen der Baubehörde über den Bestand an günstigem Wohnraum“.

Wohnungen zum Hartz-Preis, warnt unterdessen Sylvia Sonnemann vom Verein „Mieter helfen Mietern“, gebe es in der Stadt „nur in sehr geringem Umfang“. Sogar bei Neubausozialwohnungen lägen die Einstiegsmieten höher. Allein im Osten, südlich der Elbe oder „an der Autobahn in Kirchdorf Süd“, ergänzt Kollege Marc Meyer, fänden Neumieter noch Quartiere für sechs Euro den Quadratmeter. In vielen Stadtteilen müssten hingegen mindestens zwei Euro mehr berappt werden. Stützebeziehern bliebe da nur der Umzug an die Peripherie oder in eine der günstigeren Sozialwohnungen, „von denen es immer weniger gibt“.

Wie der Mieterverein moniert, hat die Sozialbehörde einen Richtwert für Sozialhilfeempfänger von 1998 übernommen, als sie die Hartz-Miete für Ein- und Zwei-Personenhaushalte festlegte. Auch der für Familien sei nur „leicht“ angepasst worden. Das gehe „an der Lebenswirklichkeit vollkommen vorbei“, rügt Meyer, weil die Mieten weiter stiegen und Wohnraum knapper werde (siehe Kasten).

Die GAL fordert den CDU-Senat darum auf, die Mietobergrenze „angemessen anzuheben“. Es gebe stadtweit gar nicht genügend Wohnungen, deren Preis darunter läge, stimmt der Abgeordnete Claudius Lieven in die Kritik ein. Eine „behördlich ausgelöste Massenwanderung“ in soziale Brennpunkte aber würde die „soziale Spaltung“ der Stadt noch vertiefen. „Das ist Panikmache“, wiegelt indes Hans-Christoph Dees ab, Hartz-Experte in der SPD-Fraktion. So hätten die Arge-Sachbearbeiter einen Ermessensspielraum, die Preisgrenze auszudehnen. „Und wenn es den entsprechenden Wohnraum gar nicht gibt“, so Dees, „muss ja auch keiner ausziehen.“